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Autor: redflag

Antisemitismus

Posted on 20.10.2025 - 20.10.2025 by redflag

Antisemitismus, oder: Die Guten und das Böse

Viele junge Antifaschist*innen, die sich in den vergangenen Monaten politisiert haben, taten dies auch unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt!“. Der Spruch, der an den Schwur von Buchenwald erinnert, ist im Original eine Absage an Faschismus und Krieg. Im weiteren Sinne meint das „Nie wieder!“ heute aber auch die Konzentrations- und Vernichtungslager des nationalsozialistischen Deutschlands, weil der Schwur von Buchenwald nach der militärischen Befreiung des Konzentrationslagers im thüringischen Weimar geleistet wurde. Er stammt also von den zumeist „politischen“ Häftlingen, die hier interniert waren. Aber auch die Vernichtungslager im Osten – Auschwitz, Sobibor, Treblinka und weitere – wurden durch Krieg, durch militärische Gewalt der Sowjetunion, befreit. Größte und für die Nazis wichtigste Opfergruppe dieser Todesfabriken: Jüd*innen.

Antisemitismus, der sich zur Vernichtung berufen fühlt, war die zentrale, ideologisch treibende Kraft des NS. Entgegen jeder Behauptung der autoritären Linken, dass der Faschismus eigentlich auf die Arbeiter*innenbewegung und damit auf sie selbst gezielt habe und ziele, dass er das Mittel der Kapitalist*innen sei oder gleich des „internationalen Finanzkapitals“ – die Äußerungen der Nationalsozialist*innen zeigen es deutlich. Der „Bolschewismus“, also die Sowjetunion, wurden als jüdische Verschwörung verstanden. Weil Jüd*innen als das mächtige, absolute Böse gedacht waren (und werden), ging es darum, mit ihrer Vernichtung eben dieses Böse aus der Welt zu bringen. Danach würde endlich „Frieden“ herrschen und kein Krieg mehr. Eine der „berühmtesten“ Äußerungen Adolf Hitlers zu genau diesem antisemitischen Verständnis klingt nicht zufällig selbst wie „antiimperialistische“ Propaganda gegen „den Krieg“, den die Reichen angeblich vom Zaun brechen wollten. Am 30. Januar 1939 sagte er in einer Reichstagsrede: „Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“

Doch in der sich als besonders antifaschistisch gebenden Propaganda der autoritären Linken spielt ein Verständnis der tieferen Bedeutung des Antisemitismus keine Rolle. Er ist ein „Rassismus“ unter vielen. In ihrem Gedenken tritt diese besonders traurige, niederschmetternde Epoche der Menschheitsgeschichte zurück – hinter aus der Stalin-Ära übernommenen Sieges-Jubel. Die Föderation Klassenkämpferischer Organisationen (FKO) bewirbt etwa den Jahrestag der Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 in diesem Jahr mit einem Motiv, das die 30 Meter hohe Statue eines Sowjetsoldaten im sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow zeigt. „80 Jahre Sieg über Faschismus und Krieg“ heißt es hier, und: „Der Sieg der Arbeiter:innenklasse über Faschismus und Krieg am 8. Mai 1945 gibt uns Mut.“ Im Vorjahr versammelte sich unter anderem der „Rote Aufbau Burg“ in Magdeburg, um in einer Fahnen-Formation zum sowjetischen Ehrenmal zu laufen und einen Kranz mit der Aufschrift „Ruhm und Ehre der roten Armee“ niederzulegen. Jahrestage wie die Befreiung von Auschwitz am 27. Januar spielen eine sehr untergeordnete Rolle. Acht Jahrzehnte nach Kriegsende folgt das Narrativ der autoritären Linken noch immer der von Stalin und später in der DDR vorgegebenen Linie, die den Sieg und den angeblichen Held*innenmut im „Großen vaterländischen Krieg“ feiert. Und damit vor allem die Staats- und Kriegsmacht der Sowjetunion.

Dass man die „mutigen“ Soldat*innen in Wahrheit unter Androhung von Erschießung, frontal und manchmal sogar unbewaffnet(!) auf deutsche Stellungen geschickt hatte, passt so gar nicht zu dem heute noch gepflegten Bild der „heldenhaften Roten Armee“. Im faschistoiden Russland unter Putin dienen die selben sowjetischen Mythen bis heute dazu, die „meat grinder“-Taktik der russischen Armee etwa in der Ukraine durchzusetzen. In der sind die Gefallenenzahlen im sechsstelligen Bereich unter russischen Soldaten schon von vornherein militärstrategisch einkalkuliert. Die Verhinderung von Todesopfern in der eigenen Truppe spielt eine untergeordnete Rolle. Von der Opferung der Massen, die zum Beweis ihres Gehorsams gegenüber Russland „todesmutig“, schlecht ausgebildet und schlecht ausgerüstet in den Kugelhagel geschickt werden, erhofft sich die Führung innenpolitischen und ideologischen Profit. Begründet wird der Krieg mit „Antifaschismus“ und „Selbstverteidigung“: In Kyiw herrsche ein vom imperialistischen Westen installiertes Nazi-Regime. In Wahrheit ist der ukrainische Präsident Selenskij Jude und Nachkomme von Holocaust-Opfern und Rotarmisten. Wie kann das sein?

Der Faschismus gilt gemäß der Mitte der 30er-Jahre formulierten, sogenannten Dimitroff-Doktrin in der autoritären Linken nur als anderes Gesicht des „Imperialismus“. Er sei „die Macht des Finanzkapitals selbst“, führte Dimitroff aus, sei ein Agent des Kapitalismus. Mit ihm bekämpfe die Bourgeoisie in Wahrheit Proletariat und Revolution. Rassismus, Antisemitismus, war da was? Hinter Hitler und dem Nationalsoziaismus standen, so die Deutung von KPD und Co, ultrareiche Banker. Letztlich handelt es sich bei der Dimitroff-Doktrin um keine Faschismusanalyse, sondern um eine Verschwörungstheorie, die Arbeiter*innen mobilisieren sollte – auch sozialdemokratische. Nicht Nazis, Faschist*innen und die proletarischen Massen in der Wehrmacht sind demnach verantwortlich für Angriffskrieg und Völkermord, sondern internationale Ultrareiche, die kalkuliert und eiskalt ihre Interessen durch Krieg durchsetzen. Ganz am großen Vordenker Lenin und der früheren Sozialfaschismusthese geschult, hatte Ernst Thälmann dagegen noch 1931 gemeint: „Faschismus und Sozialfaschismus [die SPD, Anm.] stehen in einer Klassenfront und arbeiten beide an der Durchführung der faschistischen Diktatur mit“. Der Schwenk von der einen auf die andere, anschlussfähigere Verschwörungstheorie kam zu spät.

Damit schließen Sozialfaschismusthese und Dimitroff-Doktrin an eine verschwörungstheoretische Deutung der marxschen Kapitalismuskritik an, wie sie in autoritär-linken Kreisen gang und gäbe ist. In der geht es gar nicht mehr darum, den Zwang zu begreifen, der vom Kapital selber – also von „Dingen“ bzw. von Verhältnissen – ausgeht (Marx‘ Hauptwerk heißt „Das Kapital“!). Es geht nur noch darum, Kapitalist*innen und „Imperialist*innen“ individuell und moralisch für den Zustand der Welt und des eigenen Lebens zu beschuldigen. Und es ging darum, sich selbst als von diesen Mächten verfolgt zu begreifen – eine Aufwertung des Selbstwertes für autoritäre Linke. Denn wem die Mächtigen nach dem Leben trachten, der muss ja schon aus logischen Gründen selbst mächtig und bedeutend sein. Würde man der Reichen habhaft, würde „ihr“ Kapitalismus zusammenbrechen – eine klare Praxisanweisung und so viel leichter zu verstehen als dröge philosophische Texte und inhärente, von Personen losgelöste Zwänge. So setzte sich die Sowjetunion nach der Oktoberrevolution einfach schnell als neuer, mächtiger, aber bedrohter Ober-Kapitalist ein – und nannte das dann „sozialistisch“. Diese „gute“ Diktatur „des Proletariats“ wurde nun gegen innere und äußere, „böse“ Feinde „verteidigt“, das Proletariat dazu zur Geisel genommen.

Die heute noch in der autoritären Linken propagierten Faschismusanalysen der Sowjet-Sozialist*innen erfüllen also gar nicht in erster Linie den Zweck, den Ist-Zustand vor dem Faschismus zu verteidigen. Sie sollen sowjetische Machtausübung mit Verweis auf die faschistische Gefahr rechtfertigen. Kein Wunder, dass solche verschwörungsideologischen Analysen ohne Verständnis von Antisemitismus und Kapitalismus anschlussfähig an eben jenen Antisemitismus sind. Und von dem hatte es bei den sozialistischen Parteien stets genug gegeben. Seit Ende des 19. Jahrhunderts geisterte ein Ausspruch durch die deutsche Linke, Urheber unklar und lange fälschlich August Bebel zugeschrieben: „Antisemitismus ist der Sozialismus des dummen Kerls“. Das war keine Antisemitismuskritik. Gemeint war, dass sich im Hass auf Jüd*innen im Grunde genommen etwas richtiges zeige, nämlich eine sozialistische Haltung gegen die Mächtigen und das Geld. Antisemitische Assoziationen von Jüd*innen mit Geld und Macht sitzen so tief, dass man sie sogar in einigen Texten vom durch Lenin als unfehlbar behandelten Karl Marx findet (wenn er auch an anderer Stelle genau davor warnte). Die Linke hat es nie geschafft, sich vom Antisemitismus als einer Unterströmung zu befreien.

Im Jahr 1930 führte ein Team um den Sozialpsychologen Erich Fromm eine Studie durch, die später unter dem Titel „Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches“ veröffentlicht werden sollte. Darin wurden männliche Arbeiter und Angestellte durch einen umfassenden Fragebogen zu ihrer Einstellung zu kulturellen, sozialen und politischen Themen befragt. Die Studie ist eine der Vorarbeiten zu dem, was später von anderen marxistischen Forscher*innen aus Fromms Umfeld als „autoritärer Charakter“ beschrieben und sehr bekannt wurde. Beiden Forschungen gemein ist es, die Neigung von Menschen zum Faschismus zu untersuchen – auch abseits der Frage danach, ob sie faschistische Parteien wählen. Es ging also um die „Massen“, nicht um die Eliten. Doch Fromm fand nicht nur heraus, dass Wähler der NSDAP über ein ganzes Spektrum an Einstellungen zu verschiedenen Themen autoritäre Haltungen zeigten. Ein ähnlicher Befund zeichnete sich – wenn auch in abgeschwächter Form – bei Wählern der KPD ab. Tatsächlich waren die autoritären Tendenzen bei den Anhängern der Parteien der Mitte schwächer ausgeprägt. Ein großer Teil der KPD-Anhänger erlag etwa der Faszination für starke Führer und Männer (zu denen sie Marx, Lenin und Stalin zählten), äußerte sich moralisch rigide oder zeigte eine Affinität zu Disziplin und Ordnung sowie zu Verschwörungsdenken – so der Befund Fromms.

Verschwörungsdenken prägte auch die UdSSR und Stalin. Überall wurden Agent*innen und Verräter*innen gewittert. Hatte jemand eine andere Meinung, ging das auf westliche Steuerung zurück. Tatsächlich zeigte sich diese Ideologie in der Sowjetunion in vielfacher blutiger Weise – aber eben auch in Form von Antisemitismus. Im Vorfeld der Gründung Israels 1948 wurde der Vorsitzende des Jüdischen Antifaschistischen Komitees in der Sowjetunion, Solomon Michoels, ermordet. Jüdische Kultureinrichtungen wurden verboten, schließlich auch besagtes Komitee samt Verhaftung seiner Mitglieder. Es erschienen Artikel gegen „wurzellose Kosmopoliten“ – eine Bezeichnung von Jüd*innen, die man so auch bei Hitler findet. Parteikader wurden der Verschwörung zugunsten des Zionismus verdächtigt, also der Bewegung zur Errichtung eines jüdischen Staate. Stalin sagte etwa 1952: „Jeder jüdische Nationalist ist ein Agent des amerikanischen Geheimdiensts“. Und: „Unter den Ärzten gibt es viele jüdische Nationalisten“. Er und seine Gefolgsleute deckten in jenem Jahr schließlich eine „Verschwörung“ eben jener Ärzte gegen die Sowjetunion auf. Die dabei benannten Mediziner: jüdisch. Deren Plan sei es gewesen, Stalin und andere Funktionäre zu ermorden. Der Hinrichtung der Hunderten von Festgenommenen kam dann 1953 Stalins Tod dazwischen. Die neue Führung erklärte die Verschwörung für inszeniert – und begrub mit den Diktator auch das Thema.

Zurück in Deutschland. Rund um den späteren Kandidaten der autoritär-linken KPD-AO, Dieter Kunzelmann, gründeten sich 1969 die „Tupamaros West-Berlin“. Die Mitglieder hatten sich in jenem Jahr in Jordanien in einem Camp der palästinensischen Fatah an Waffen und Bomben ausbilden lassen – übrigens in eben jenem Camp, in dem sich 1970 die Neonazis und Rechtsterroristen Udo Albrecht und Willi Pohl ausbilden ließen. Zurück in Deutschland, befanden es die Linksautoritären für das beste Zeichen, einen Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in Berlin zu begehen – während dort des Jahrestags der „Reichskristallnacht“ vom 9. November 1938 gedacht wurde. 250 Personen bleiben nur wegen eines defekten Zünders unverletzt. Die Tupamaros pflegten Kontakte mit der RAF sowie den Revolutionären Zellen – von denen sich Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann wiederum 1976 an der Entführung einer Air-France-Maschine durch die palästinensische, linksautoritäre PFLP beteiligten. In dem in Tel Aviv gestarteten Flugzeug waren 270 Personen gefangen. Nach Uganda umgeleitet, ließen die deutschen Entführer*innen alle nichtjüdischen Passagiere frei. Alle jüdischen – eben nicht nur Israelis, sondern auch 22 Französ*innen, ein Staatenloser sowie zwei US-Amerikaner*innen – mussten im Flugzeug bleiben. Bei der Befreiung starben drei Passagiere.

Die palästinensische PFLP-„Marxistin“ Leila Chaled entführte gleich zwei Mal Flugzeuge mit Israelis an Bord. Ihr Foto mit Kufiya und Kalaschnikow ist bis heute eine Ikone des linksautoritären „Frauenkampfes“ und ziert als Poster WG-Wände. Als Kind hatte sie noch, neben Lenin, Hitler bewundert. Da wusste sie noch nicht – wie es von ihr überliefert ist – dass die Nazis auch Araber*innen als rassisch minderwertig betrachteten. Es hatte genügt, dass der Führer der palästinensischen Araber*innen, der Großmufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, mit Hitler, den Nazis und ihrem Vernichtungsantisemitismus zusammenarbeitete. So galt Hitler in arabisch-palästinensischen Kreisen als Verbündeter im Kampf gegen die Jüd*innen, nicht als Vertreter einer weißen Überlegenheit oder eines auch gegen Araber*innen gerichteten Rassismus. Bis heute ist Chaled Mitglied der PFLP, die sich mit zwei „Brigaden“ am Hamas-Massaker an israelischen Zivilist*innen am 7. Oktober 2023 beteiligte. Trotz Verbots ist die PFLP auch in Deutschland organisiert – kräftig unterstützt von und verflochten mit der deutschen autoritären Linken.

Ähnliche Verehrung als kämpfende Frau erfuhr in Deutschland die RAF-Anführerin Ulrike Meinhof. Von einer Unterstützerin des Existenzrechts Israels wandelte die sich im Lauf ihres Lebens zur Antizionistin. 1972 lobte sie die Geiselnehmer und Mörder von israelischen Sportlern während der Olympiade in München – der ersten nach 1936! – durch ein palästinensisches Kommando, für deren „Sensibilität für historische und politische Zusammenhänge“. Elf Israelis wurden getötet. Anlässlich dieser Tat setzte sie das israelische Vorgehen gegenüber Araber*innen in Nahost mit dem Holocaust – also der schlimmsten Form von Völkermord – gleich, nannte den sozialdemokratischen Verteidigungsminister Mosche Dajan einen „Himmler Israels“. Es ist offensichtlich ein Versuch, diejenige Schuld auszugleichen, die die Deutschen auf sich geladen hatten, die nämlich tatsächlich den Holocaust begangen und ihn vom echten Himmler hatten organisieren lassen. Für den linksautoritären Genozidvorwurf gegenüber Israel ist es also schon immer völlig unbedeutend gewesen, was in Palästina tatsächlich passiert. Es ging immer darum, Menschen zu emotionalisieren und zum antiimperialistischen Krieg gegen Israel aufzuwiegeln, das als schlimmste Erscheinungsform des „Imperialismus“ gedeutet und als Stellvertreter für diesen Imperialismus bekämpft wird.

Diese menschenverachtenden Äußerungen der „linken“ Ikone Meinhof waren erst der Auftakt zur immer irrer werdenden „sozialistischen“ Rechtfertigung für antisemitischen Mord. Schon im Dezember desselben Jahres verteidigte sie sogar den Holocaust – den echten – als im Kern irgendwie links – ganz im Sinne des Antisemitismus als eines „Sozialismus des dummen Kerls“: „Auschwitz heißt, dass sechs Millionen Juden ermordet und auf die Müllkippe Europas gekarrt wurden als das, als was man sie ausgab – als Geldjuden“, schreibt sie. Und direkt an diesen Satz anschließend: „Der Antisemitismus war seinem Wesen nach antikapitalistisch. Mit der Vernichtung von sechs Millionen Juden wurde die Sehnsucht der Deutschen nach Freiheit von Geld und Ausbeutung mit ermordet… Ohne dass wir das deutsche Volk vom Faschismus freisprechen – denn die Leute haben ja wirklich nicht gewusst, was in den Konzentrationslagern vorging –, können wir es nicht für unseren revolutionären Kampf mobilisieren.“ Natürlich haben die Deutschen sehr genau gewusst, was in den Lagern vorging. Doch von genau dieser Schuld und Verantwortung wollten ausgerechnet manche „Linke“ sie freisprechen, weil sie durch sie ihre „sozialistische“ Revolution gefährdet sahen.

Wohlgemerkt: Ein Volk von seinem Völkermord freisprechen wollen hier die selben Leute, die Israel in den Jahrzehnten seither zu jeder Gelegenheit eines Genozids beschuldigen und daraus jede Gewalt gegen dem jüdischen Staat für gerecht erklären. Damit die Eigengruppe – das Proletariat und die Linken – unverantwortliches Opfer, das eigene Handeln gut sein können, braucht es ein ultimatives Böses. Gegenüber dieser Funktionsweise des Antisemitismus sind auch und gerade Linke nicht immun. Meinhof und die RAF werden nach wie vor geehrt, ihre Taten glorifiziert. Wenn Linke also heute fordern, die Deutschen sollten sich von ihrer Schuld befreien, um endlich Palästina angemessen zu unterstützen, ist das so neu nicht. Forderungen nach einem „Schlussstrich“ unter die deutsche Geschichte hat es schon vor Jahrzehnten auch von links gegeben. Der Grund: Linker Antisemitismus, der an die Stelle der Jüd*innen den Staat Israel setzt. Auch, wenn er sich meist besser versteckt als bei Ulrike Meinhof.

Ein weiteres eindringliches Beispiel für die „sozialistische“ Umdeutung der NS-Verbrechen findet sich in Sachsen-Anhalt. In der Feldscheune Isenschnibbe bei Gardelegen fand in den letzten Kriegstagen das größte Todesmarsch-Massaker in Deutschland statt, bei dem von mehr als 1016 ermordeten und zumeist verbrannten KZ-Häftlingen auszugehen ist. Tatsächlich ist mit Blick auf das Massaker von Gardelegen erstmals der Ausdruck „Holocaust“ genutzt worden – das Wort bedeutet ja wörtlich „Brandopfer“. Die Täter des 14. April 1945 stammten dabei aus den verschiedensten Institutionen des NS-Staates samt Hitlerjugend und der Gardelegener Bevölkerung. Die Häftlinge waren nur aufgrund des Zufalls in Gardelegen gelandet, weil ein Zug zur Umverteilung in andere Lager aufgrund eines Schienenschadens nicht weiterfahren konnte.

Am Tag nach dem Massaker entdeckte die US-Armee die halb verscharrten Leichen und beorderte die greifbare männliche Bevölkerung Gardelegens dazu, die Ermordeten zu exhumieren und in würdigen Gräbern zu bestatten – dem heute noch existierenden Friedhof an der Feldscheune. Die meisten Opfer konnten wegen der Methode des Mordes nie identifiziert werden. Dort, wo bekannt, bekamen sie Grabsteine in Form eines Davidsterns, ansonsten christliche Kreuze. Die US-Amerikaner verpflichteten die „Bestatter“ aus Gardelegen außerdem individuell dazu, jeweils bis an ihr Lebensende für die Pflege eines bestimmten, zugewiesenen Grabes am Friedhof zu sorgen.Die US-Armee stellte eine Gedenktafel auf, verwies im Text auf die von den Bewachern Ermordeten und darauf, dass sie von Bürgern Gardelegens begraben worden sind, denen die Verantwortung aufgetragen worden sei, für die Gräber und für das Gedächtnis an die „Unglücklichen in den Herzen aller freiheitsliebenden Menschen“ zu sorgen. Darunter ist eine Drohung mit Strafe im Fall von Grabschändung gesetzt. Doch als Gardelegen dann der sowjetischen Zone zufiel, wurde eine Inschrift an der Mauer der Feldscheune angebracht. Und die erklärte den Sachverhalt nun ganz anders.

Der Verweis auf die US-Armee fehlt. Stattdessen ist von einem „Eintreffen der Alliierten“ die Rede – als könnte es auch die Rote Armee gewesen sein. Die 1016 Opfer des Massakers werden als „internationale Widerstandskämpfer gegen den Faschismus“ verklärt – obwohl zumeist völlig unklar war und ist, was die genauen KZ-Kategorisierungen der Häftlinge waren und nur die wenigsten Menschen als Partisan*innen in KZs gesperrt wurden. Zum Schluss heißt es: „Sollte euch jemals im Kampf gegen Faschismus und imperialistische Kriegsgefahr Gleichgültigkeit und Schwäche überkommen, so holt euch neue Kraft bei unseren unvergesslichen Toten“. Später fügte man sogar noch hinzu: „Und sie haben doch gesiegt.“ 1965 wurde dann die alte Tafel der US-Armee gänzlich entfernt und durch eine neue ersetzt. Auf der hieß es dann: „Die Bevölkerung hat sie begraben und ihnen ein Mahnmal errichtet. Diese Stätte soll uns stets Mahnung und Verpflichtung im Kampf gegen Faschismus und Krieg, für Frieden und ein glückliches Leben aller Menschen im Sozialismus sein.“

Ganz so, als wären die Gardelegener nicht mit vorgehaltener Waffe zur Begrabung der Ermordeten gezwungen worden. Ganz so, als hätten sie – kaum, dass die Wehrmacht abgezogen war – wieder ihre von den Nazis nur unterdrückte, eigentlich sozialistische Gesinnung ausgelebt und als erstes für ein würdiges Gedenken der als sozialistische Partisan*innen kämpfenden gesorgt. Und als wäre das nicht genug, verstieß die SED-Führung gegen den Auftrag der US-Soldaten und erließ den individuell zugeteilten Gardelegenern die Pflicht zur Grabpflege und zum Gedenken. Die ging nun an die FDJ, Schulklassen und an Betriebe mit wechselndem Personal. Die Toten dienten jetzt zur Volkserziehung in Sachen Anti-Imperialismus. Den verschiedensten Opfern – darunter sicherlich viele Jüd*innen, aber eben auch andere Opfergruppen – wurde so noch das den Gardelegenern aufgetragene Gedenken an sie und an ihr Unglück geraubt. Wer diese Menschen tatsächlich waren – in all ihren Eigenschaften oder auch Widersprüchen – und warum sie ermordet wurden, interessierte nicht länger. Ob rechts oder links: Autoritäre Charaktere können nicht trauern. Die Opfer wurden zu angeblichen Held*innen, Kämpfer*innen und Sieger*innen nicht nur des Sozialismus‘ oder gegen den Faschismus, sondern jetzt auch gegen die „imperialistische Kriegsgefahr“.

Gemeint war der Westen – und damit vor allem jene US-Armee, die ursprünglich ein deutlich angemesseneres, nicht verklärendes Gedenken an die Ermordeten und an ihr Unglück angeordnet hatte. Dieses Vorgehen der SED zeigt das instrumentelle Verhältnis der autoritären Linken auch gegenüber den Opfern von faschistischer Gewalt, die als „unsere Toten“ wortwörtlich in den Besitzstand des Sozialismus übergehen – eine Haltung gegenüber Toten, die autoritäre Linke auch angesichts aller anderen Kriege und Morde zeigen. Sie als Menschen sind nicht Zweck des politischen Handelns dieses Sozialismus‘, sondern nur Mittel für ein „höheres“ Ziel. Statt ihres tatsächlichen Unglücks und Leids zu erinnern und sich der Traurigkeit und Sinnlosigkeit ihrer Ermordung zu stellen, werden in der sozialistischen Propaganda „Sieg“ und ein „glückliches Leben aller Menschen im Sozialismus“, also positive Motive, aufgerufen. Die verschiedensten Opfergruppen und damit ihre tatsächlichen Lebenserfahrungen werden gleichgemacht, nivelliert. So werden sie nach der Ermordung und des Diebstahls ihrer Identität noch ihrer letzten Möglichkeit beraubt, sich selbst zu bezeugen. Was im sozialistischen Gedenken vor allem kaum auftaucht: Antisemitismus und Jüd*innen. Und dass Jüd*innen als Opfer von Antisemitismus vom Sozialismus allein gelassen wurden, merkten natürlich auch die Jüd*innen selbst.

Gegen eine israelische Staatsgründung angeschrieben hatte bereits Lenin. 1903 meinte er, die „Idee der jüdischen ‚Nationalität‘“ habe einen „offen reaktionären Charakter“, und zwar auch jene Strömungen des Zionismus, die diesen „mit den Ideen der Sozialdemokratie in Einklang zu bringen“ versuchten. Statt eines eigenen sollten die Jüd*innen sich dem kommenden russisch-sozialistischen Staat und dem Antisemitismus der Bevölkerung beugen. Tatsächlich war der Zionismus lange Zeit sozialistisch und sozialdemokratisch dominiert, allen voran in der Kibbuz-Bewegung. Erst in den 70er-Jahren – nach mehr als zwei Jahrzehnten Verteidigung gegen die Vernichtungsversuche der Nachbarstaaten – begann die Dominanz der rechten Kräfte, die heute mit Netanyahu an der Spitze für unsägliche Massengewalt und den Angriff auf die Demokratie verantwortlich sind. Dass aber auch der sozialistische Zionismus an Gewaltverbrechen beteiligt war – etwa im Rahmen der Staatsgründung – unterscheidet ihn ja gerade nicht von anderen (sozialistischen) Staaten, am wenigsten von der UdSSR. Es gibt schlicht keinen Staat, der nicht das Ergebnis organisierter Gewalt gewesen, der nicht auf Toten errichtet worden wäre. Karl der Große trug nicht umsonst den Beinamen „Sachsenschlächter“. Und doch geht es autoritären Linken immer wieder um Jüd*innen einerseits, um Israel im Besonderen.

Sie müssen auch hier als Stellvertreter*innen für alles Böse in der Welt herhalten – egal, ob vor oder nach der Staatsgründung Israels. Das von Thälmann geführte ZK der KPD fand 1932 in astreinem Nazi-Sprech: „Jüdisches und nichtjüdisches Kapital sind untrennbar miteinander versippt und verquickt, auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden. Jüdisches Geld nährt auch den Faschismus. Faschistische Streikbrecher stehen im Sold jüdischer Industrieller.“ Von da bis zur Verschwörungstheorie, die Jüd*innen hätten den Holocaust mit den Nazis organisiert, um Israel gründen zu können, ist es nicht mehr weit. Überhaupt: Die Phantasien des linken Antisemitismus‘ kreisen auffällig darum, den Jüd*innen eine vermeintliche Machtposition vorzuwerfen, die diese aus dem Holocaust ziehen würden – vergleichbar mit den täter-opfer-umkehrenden Gefühlen, die in den meisten Menschen aufkommen, wenn sie mit sexueller Gewalt konfrontiert sind. Das Gefühl kommt zuerst – die vermeintlichen Sachgründe werden sich dann gesucht. Der ehemals autoritär-linke Rapper MaKss Damage rappte 2010 ganz „antifaschistisch“ in „linken“ Kreisen: „Ich leite Giftgas lyrisch in Siedlungen, die jüdisch sind“. Giftgas, Gaskammern, war da was? Wie man es auch dreht und wendet: Die Ideenwelt der autoritären Linken läuft darauf hinaus, dass der Antisemitismus als Kernelement des Nationalsozialismus unbegriffen bleibt. Und dass autoritäre Linke ein Thema mit Jüd*innen, dem Holocaust und Israel haben.

Nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober rechtfertigte – wie bereits erwähnt – der deutsche Bundesverband von Young Struggle die Gewalt. Doch auch die sich feministisch gebende „Gruppe Zora“ aus Magdeburg hat entsprechende Verbindungen. So führte die Polizei in Berlin Razzien bei den Zora-„Schwestern“ aus der Hauptstadt durch. Der Grund: Auch die Berlin-Gruppe hatte sich nach dem Überfall mit der am Hamas-Massaker beteiligten, in Deutschland verbotenen PFLP solidarisiert. In dem Post der „feministischen“ Gruppe war auch eine „Kritik“ an der Hamas enthalten: Die hätte „kein Interesse daran, das Patriarchat zu zerschlagen“. Nochmal zur Erinnerung: Die Hamas ist eine islamistische, terroristische Gruppierung, die einen Gottesstaat führt, Frauen systematisch entrechtet und deren Ziel laut Gründungscharta die Vernichtung Israels ist. Wie frauenkämpferisch oder feministisch kann also der Hinweis sein, dass die Hamas „kein Interesse“ an der Zerschlagung des Patriarchats hat? Bestand denn Verwechslungsgefahr? Ist sie dem Patriarcht irgendwie „neutral“ gegenüber eingestellt? Im Gegenteil, trachten Antisemit*innen Jüd*innen doch auch deshalb nach dem Leben, weil sie sie für den Feminismus, Transgeschlechtlichkeit, aus der Ordnung gefallene Geschlechterverhältnisse verantwortlich machen. Die Freiheit, die Frauen in Israel genießen, ist für die Hamas bedrohlich. Auch deshalb führt sie Krieg gegen den Zionismus.

Apropos „Krieg gegen den Zionismus“: Die Gegenkundgebung von „Young Struggle“ und dem „Jugendkollektiv Salzwedel“ in Salzwedel gegen eine Antifa-Demo wurde antisemitisch begründet. An zentraler Stelle taucht im Aufruftext jene Forderung auf, auf die sich die örtlichen Antifas nicht einlassen wollten: „Krieg dem Zionismus!“. Damit enthält der Text eine der vielen Chiffren – also codierte Formulierungen für Eingeweihte – die in antisemitischen Kreisen genutzt werden. Denn für Nicht-Eingeweihte, die mit autoritär-linken Gruppen, ihrer Ästhetik oder Mobilisierungsfähigkeit sympathisieren, ist die Bedeutung dieser Kriegsforderung zunächst gar nicht ersichtlich. Sie wird erst einmal als Kampfansage an jene Mentalität verstanden, aus der heraus die israelische Regierung und Armee Gewalt in durchaus genozidalem Ausmaß entfacht haben – auch wenn sie meilenweit davon entfernt sind, zur restlosen Vernichtung der arabisch-palästinensische Bevölkerung anzusetzen. Aber „Zionismus“ bezeichnet nicht einen israelischen Überlegenheitswahn. Historisch ist er die Bewegung zur Errichtung eines jüdischen Staates – die bloße Idee, dass Jüd*innen Anspruch auf einen eigenen Staat haben. Etwa, um nicht weiter Opfer antisemitischer Gewalt zu werden. Oder einfach nur, weil auch alle anderen Völker Staaten in den Territorien beanspruchen, in denen ihre Wiege steht. Wollte man ein konkretes israelisches Verhalten durch Gewalt unterbinden, würde es genügen, Krieg gegen Israel zu fordern.

Aber wenn dem Zionismus der Krieg erklärt wird, dann heißt das, dass Israel, seine Existenz, militärisch vernichtet werden soll. Und in diesem Zuge ein erheblicher Teil oder gar die gesamte (jüdisch-)israelische Bevölkerung. Autoritär-linke Gruppen in Sachsen-Anhalt nutzen laufend antisemitische Codes. Wenn es etwa heißt „From the river to the sea – palestine will be free”, dann ist damit eine „Befreiung“ eines Palästinas vom Mittelmeer bis zum Jordan angesprochen. Wovon soll dieses Palästina an einem Ort befreit werden, an dem heute eben auch der israelische Staat ist? Offensichtlich von der Existenz Israels. Die Formulierung lässt aber zunächst daran denken, dass ja der Gazastreifen am Mittelmeer, das Westjordanland am Jordan liegt und es um die Gründung eines souveränen Staates geht, in dem israelische Truppen nichts mehr zu melden haben, der demokratisch verfasst ist und in dem die Bevölkerung ein Leben in Selbstbestimmung und nicht in Armut führen kann. Nur geht es in der Parole eben nur scheinbar um das Wohlbefinden der palästinensischen Araber*innen. Wenn ein „Ende der Besatzung“ oder des „Kolonialismus“ zwischen Meer und Fluss gefordert werden, funktioniert das auf die selbe Weise: Nicht die momentane militärische Besatzung des Gazastreifens oder von Teilen des Westjordanlands ist gemeint, die enden soll. Sondern die „Besatzung“ desjenigen Gebiets, das heute Israel ist. Das „Ende der Besatzung“ ist also identisch mit dem Ende Israels.

Wenn „Kolonialismus“ gesagt wird, lässt das an rassistische Praktiken gegenüber den Palästinenser*innen denken. Es geht aber nicht darum, dass Israel anders, nicht-kolonialistisch handeln soll. Es geht darum, dass Israel gar nicht mehr handeln soll. Denn als „kolonialisiert“, als Kolonie wird das israelische Staatsgebiet bezeichnet. Wenn es gegen den „Siedlerkolonialismus“ geht, dann nicht gegen rechtsextreme Siedler*innen im Westjordanland. Sondern gegen die Idee des Zionismus‘ selbst. Ein großer Teil des jüdischen Staatsvolkes ist ja durch Migration ins Land ihrer Vorfahren gekommen – übrigens zu großen Teilen nach Vertreibungen aus arabischen Gesellschaften. Für die autoritäre Linke sind sie jedoch alle weiße Kolonialist*innen aus dem Westen, oder, eine Veröffentlichung des Europaverbandes von Young Struggle vom 16.10. folgend, „zionistische Expansion der USA in Palästina“. Wenn autoritäre Linke mit Sprüchen wie „resistance is justified“ kokettieren, ist mit „Widerstand“ gemeint, dass der Hamas-Überfall auf Israel richtig und gut war. Am 6. Oktober beschwerte sich die Linksjugend [solid] Sachsen-Anhalt, die Jugendorganisation der Partei Die Linke, über einen Post des Bundesverbandes von solid. Darin empört sie sich, dass der den Trump-Plan für einen Frieden begrüßte, der in diesen Tagen erstmalig Hoffnung auf ein Ende des Krieges machte (auch wenn es schwer ist, Hoffnung darauf zu verausgaben, dass in Gaza in absehbarer Zeit wieder lebenswürdige Zustände geschaffen werden).

Wollte die Landes-Linksjugend etwa doch kein Ende des Kriegs in Gaza? „Auch wir als Linksjugend [solid] Sachsen-Anhalt stehen für einen schnellstmöglichen Waffenstillstand – aber nicht auf Kosten der Palästinenser*innen!“, hieß es weiter. Denn: Der Frieden sei „imperialistisch“ und „erzwungen“, weshalb man die Hoffnung des Bundesverbandes so auf gar keinen Fall kommentarlos stehen lassen kann. Einerseits bekennt man sich schon irgendwie dazu, dass die Hamas zu entwaffnen sei, findet aber, dass man die Palästinenser*innen Israel ja dann „quasi schutzlos ausliefert“. Was stattdessen zu tun wäre oder eine Aufklärung des Widerspruchs gibt es nicht – wie so oft in Stellungnahmen zu Israel. Man muss sich seinen Teil dazu denken. Etwa: Wie sähe ein „nicht-imperialistischer“, „nicht-erzwungener“ Frieden im Gazastreifen denn aus? Wer soll hier nicht zu Frieden gezwungen werden, sondern ihn „freiwillig“ eingehen? Was müsste passieren, damit die Hamas „freiwillig“ Frieden schließt – jene Organisation, deren oberstes Ziel laut Gründungscharta die Zerstörung Israels ist? Wie stellt sich die Landes-Linksjugend einen „echten“ Frieden in Palästina vor? Darauf gibt es durchaus Antworten.

In einem von den Landesmitgliedern von solid getragenen Beschluss, veröffentlicht sechs Wochen zuvor, hatte es geheißen: „Die Unterdrückung und Entrechtung der Palästinenser*innen hat nicht erst mit dem 7. Oktober angefangen. Die illegale Besatzung Palästinas, sowie Israels koloniale Strukturen und militante Politik spielen seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle und Grundlage für die schrecklichen Verbrechen am palästinensischen Volk und Apartheid.“ Ein Israel ohne „koloniale Strukturen“, „militante Politik“, „schrecklichen Verbrechen“ und „Apartheid“ ist zwar irgendwie in der Theorie vorstellbar. Aber ohne die „illegale Besatzung Palästinas“, und zwar schon „seit Jahrzehnten“? Was ist gemeint? Ist ein Rückzug Israels auf die Grenzen von 1967 gemeint, bevor Israel einen erneuten Überfall arabischer Staaten per Präventivschlag vereitelte? Wohl kaum. Denn Israel wird ja als Ganzes als „illegale Besatzung Palästinas“ verstanden. Aber vielleicht ist das ja ein Missverständnis, eine sprachliche Unklarheit aus der Feder junger Linker? Mitnichten. Gleich darauf heißt es im Statement, dass man feststelle, dass sich Zionismus „für die Errichtung eines jüdischen Staates mit demographischer Mehrheit“ einsetze. Und dann: „Diese Ideologie ist unvereinbar mit den Grundwerten der Linksjugend [solid] Sachsen-Anhalt“. Nur: Ohne Zionismus gibt es schlicht kein Israel. Ergo meint „koloniale Besatzungspolitik“ hier die bloße Existenz eines israelischen Tel Aviv, Haifa, (West-)Jerusalems.

Und genau so geht es weiter. Man setze sich für das „Rückkehrrecht der palästinensischen Geflüchteten in ihre Heimat“ ein – eine weitere antisemitische Chiffre. Es lässt an die Vertriebenen im Gazastreifen denken, die ihres Zuhauses beraubt worden sind. Doch die sind gar nicht gemeint. Denn bei den Vereinten Nationen gibt es einmal ein internationales Hilfswerk für Geflüchtete (UNHCR) – und einmal ein Hilfswerk für palästinensische Geflüchtete (UNRWA). Und dieses letztere Sonder-Flüchtlingshilfswerk hat eine andere Definition von Flüchtlingen, als sie im Rest der Welt oder beim UNHCR gilt. Wo etwa in Deutschland darauf bestanden wird, im Land geborene Menschen nicht wegen der Migration ihrer Eltern als Flüchtlinge, Migrant*innen oder „Ausländer*innen“ zu labeln, gilt für die Palästinenser*innen das genaue Gegenteil. Der Status als Flüchtling vererbt sich. Sogar für adoptierte Personen gilt er. Mittlerweile gibt es darum offiziell etwa 6 Millionen palästinensische „Flüchtlinge“. Wenn von einem „Rückkehrrecht“ für diese Menschen die Rede ist, ist damit eine Rückkehr auf jene Grundstücke gemeint, die ihre Vorfahren bewohnt haben – im heutigen Israel. Israel selbst hat 10 Millionen Einwohner*innen, davon gut 7 Millionen Jüd*innen. Eine „Rückkehr“ von 6 Millionen „Flüchtlingen“ nach Israel würde nicht nur den Staat in eine organisatorische und wirtschaftliche Existenzkrise stürzen. Sie hätte eine nichtjüdische Mehrheit zur Folge. Und von der erhoffen sich die, die eine „Rückkehr“ fordern, das Ende des Zionismus.

Das Spiel mit den Chiffren und der Unwissenheit der eigenen Gefolgschaft ist auch deshalb bemerkenswert, weil autoritäre Linke an anderer Stelle wiederum ganz offen über Israel reden. Am 15. Oktober postete die „Kommunistische Organisation“ ein Werbe-Sharepic zu ihrer Veranstaltung „Zur Notwendigkeit der Ein-Staat-Lösung in Palästina“. In der Grafik ist eine Landkarte der israelischen und palästinensischen Gebiete zu sehen. Dieses Land wird aber in zwei Teile geschnitten – von einer Fläche mit den selben Umrissen, die wiederum in die Farben der arabisch-palästinensischen Nationalfahne getaucht ist. Im zugehörigen Text beklagt sich die „KO“, dass sich bis vor kurzem nicht nur der Westen, sondern auch weite Teile der „kommunistischen Bewegung“ zur „sog. ‚Zweistaatenlösung‘“ bekannt hätten. Zu dieser wenig zutreffenden Beobachtung wird völlig richtig festgestellt: „Dem gegenüber vertrat die palästinensische Nationalbewegung fast durchweg die Forderung nach der Befreiung des gesamten Gebiets zwischen Jorden und Mittelmeer.“ Hier wird ersichtlich, worauf all die Formulierungen „from the river to the sea“ und all die weiteren Chiffren hinauslaufen, wenn mal kein Blatt vor den Mund genommen wird: Israel soll verschwinden. An der Stelle des jüdischen soll ein arabischer Nationalstaat stehen. In den versteckten Botschaften geht es also immer um: Gewalt.

Immer wieder kommt es vor, dass linke Antisemit*innen ihr Spiel mit Chiffren verlieren und ihren Antisemitismus zu offen kundtun. Im August diesen Jahres sorgte ein unüberlegter Social-Media-Post der Linksjugend in Frankfurt am Main dafür, dass die hier gepflegte „Israelkritik“ als Antisemitismus überdeutlich erkennbar wurde. Die Jüdische Allgemeine hatte, wie viele andere Medien, berichtet, dass in Spanien eine französische Reisegruppe von 44 jüdischen Kindern und ihren sieben erwachsenen Begleiter*innen kurz vor Abflug aus einem Flugzeug geworfen worden waren. Laut Darstellung der Gruppe sei das erfolgt, nachdem die Jugendlichen ein hebräisches Lied gesungen hatten. Die Fluggesellschaft gibt an, die Jugendlichen hätten sich aggressiv verhalten – und habe darum die Polizei zur Durchsetzung des Rauswurfs gerufen. Die Linksjugend Frankfurt am Main wiederum repostete diesen Zeitungsartikel auf X samt eines Kommentars, der da lautete: „Wir müssen leider enttäuschen: Der Rauswurf fand nicht statt während das Flugzeug in der Luft war.“ Mordlustiges Gewitzel über jüdisch-französische Jugendliche – die offensichtlich für das israelische Vorgehen im Gazastreifen verantwortlich gemacht wurden. Für wie böse muss man jüdische Jugendliche halten, um ihnen Ermordung zu wünschen?

Gut und Böse – dieses Spannungsverhältnis steckt im Kern von Antisemitismus. Denn er erfüllt dem Individuum bestimmte Bedürfnisse. Vielleicht die wichtigste Funktion ist es, sich darüber zu versichern, dass man selbst, als Teil eines Kollektivs, moralisch gut ist. Antisemitismus diente schon immer zur Konstruktion von Kollektiven, deren Zusammenfinden ansonsten durch zu viele Widersprüche verhindert würde. Dazu braucht es zunächst gar keine Jüd*innen – Antisemitismus hat ja etwas mit Antisemit*innen zu tun, nicht mit Jüd*innen. Antisemitismus drückt sich also auch nicht einfach in Gewalt gegen Jüd*innen aus. Er ist erst einmal eine Weltanschauung, eine Grundhaltung gegenüber dem Leben und der Welt. Der religiöse Antijudaismus diente der Überlegenheit von Christentum und Islam. Der NS-Antisemitismus diente der Konstruktion einer starken, gesunden und schönen „Rasse“. Israelbezogener Antisemitismus schließlich dient dazu, sich selbst als überlegen im Sinne der Menschenrechte zu empfinden, die ja, ebenfalls 1948, durch die UN zur moralischen Autorität erhoben wurden. Zur Konstruktion der Eigengruppe und zum eigenen Gut-sein braucht es zwingend das Böse-sein einer Feindgruppe. Und als das ultimative Böse auf der Welt braucht es statt der Jüd*innen nun Israel – die Palästinenser*innen wiederum als Opfer. Wenn es im Antisemitismus also um ein Bedürfnis von Individuen geht – was passiert dann, wenn dem Individuum dieses böse Objekt abhanden zu kommen droht?

In einer am Tag des Inkraft-Tretens des gegenwärtigen Waffenstillstands auch von Young Struggle Magdeburg verbreiteten Botschaft des YS-Europaverbandes heißt es, „palästinensische Widerstandsgruppen“ hätten einen Waffenstillstand mit den „israelischen Besatzungstruppen“ geschlossen, „um das Blutvergießen zu beenden“. Aha? Lag es die ganze Zeit etwa doch in den Händen der „Widerstandsgruppen“, das Töten und damit den Genozid zu beenden? Wollte Israel gerade noch mehrere Millionen, gibt sich nun aber doch mit 60.000 Toten zufrieden? Schnell schiebt YS die Behauptung hinterher, dass der Waffenstillstand in Gaza ja mitnichten ein Ende des Genozids bedeute. Es gehe vielmehr um die Etablierung einer „sanften Besatzung“ und darum, den Palästinenser*innen die Waffen zu ihrer Selbstverteidigung zu nehmen. Wenn das so ist, haben die Widerstandsgruppen dem Frieden also in Wahrheit doch gar nicht zugestimmt, „um das Blutvergießen zu beenden“? Ermöglichen sie dann dadurch nicht erst den restlosen Genozid? Solche Widersprüche stören die autoritäre Linke nicht. Man werde das palästinensische Volk „bis zum Ende“ unterstützen – „Bis Palästina frei ist – vom Fluss bis zum Meer“. Also bis zur militärischen Niederschlagung Israels, für die ein Frieden wohl hinderlich wäre. Ein Wort aber fällt auch in diesem Text nicht: Hamas. Wenn jetzt also Frieden sein und die Hamas ihre Waffen abgeben soll, kann sie die Palästinenser*innen auch nicht mehr totverteidigen.

In den vergangenen Monaten hat sich auch die Antifa-Jugend Stendal (entblockt uns mal!) der autoritären Linken zugewandt. Die Gruppe unterstützte die antizionistische Gegenkundgebung gegen eine Antifa-Demo in Salzwedel oder organisierte zusammen mit Zora und Young Struggle Magdeburg eine Kundgebung gegen einen Femizid in Stendal, in dessen Rahmen zwar ganz viel Emotionalisierung und Gut-Böse-Rhetorik zu vernehmen war, feministisch-gehaltvolle Gesellschafts- oder Justizkritik jedoch nicht. Die Stendaler*innen animierte der endlich geschlossene Waffenstillstand nun auch dazu, nochmal unter dem Motto „Stoppt den Genozid“ per Kundgebung schnell nachlegen zu müssen. Torschlusspanik? Offenbar sorgt man sich auch in der Altmarkstadt darum, dass ausgerechnet jetzt, wo es so schön war, das Morden aufhören soll. „Dieser Frieden wird nicht von Dauer sein“, ist sich die Gruppe gewiss, „der Kampf geht weiter“. Gemeint ist natürlich nicht, dass die Hamas bei ihrer Zustimmung zu den Bedingungen des Waffenstillstands niemals vorhatte, diese Bedingungen auch zu erfüllen – die toten Geiseln zurück, ihre Waffen abzugeben oder von der politischen Macht zu lassen. Doch genau das ist ja das Kalkül der Hamas: Keine Lüge ist zu offensichtlich, weil es auf der ganzen Welt Multiplikator*innen ihrer Erzählungen gibt. Und so lange es die gibt – inklusive der autoritären Linken – erscheint die bewusste Opferung der eigenen Bevölkerung auch als irgendwie vernünftige Taktik zur Erreichung der Vernichtung Israels.

Man werde auf die Straße gehen, schreibt die Stendaler Gruppe, „um für ein Palästina zu demonstrieren, das frei von zionistischem Terror, frei von Siedlerkolonialismus und frei von imperialistischen Machtkämpfen ist“. Dafür sterben sollen freilich Palästinenser*innen. Sogar die aus der SED-Verklärung der NS-Opfer bekannte Positiv-Verkitschung findet sich im Aufruf: „Für ein Palästina voller Olivenhaine, lachender Kinder und glücklicher Familien. Wir sehen noch immer ein Palästina, das ungebrochen ist, das lebt und feiert und sich nicht unterkriegen lässt.“ Lachende Kinder, glückliche Familien? Wer in diesen Tagen nach Gaza blickt und dort nicht Tod, Leid, Elend, Hunger, Verwahrlosung, Gewalt und das ungebrochene Recht des Stärkeren, einen unmenschlichen, unerträglichen Zustand und eine Beschämung der ganzen Menschheit erblickt, leidet offensichtlich an Realitätsverlust. Und an Antisemitismus. Am 16.10., als die Hamas schon längst kundgetan hat, sich an die für den Friedensplan zugesagte Entwaffnung gar nicht halten zu wollen, beklagt der Europa-Verband von Young Struggle unter dem Titel „Den imperialistischen Frieden zurückweisen“, dass eine Entwaffnung der Hamas ja eine Beendigung des palästinensischen „Widerstands“ darstellen würde. Der Text schließt mit der Forderung: „Verteidigt Palästina vom Fluss bis ans Meer“.

Und eben darum geht es ja beim „Widerstand“: „Widerstand“ gegen die bloße Existenz des jüdischen Staates, egal, was es kostet. Was autoritäre Linke also angesichts des möglichen Endes des offenen Krieges und des Massentötens im Gazastreifen empfinden, ist gar nicht Erleichterung und Trauer über das letztlich sinnlose Leid der vergangenen zwei Jahre. Es ist Wut darüber, dass jetzt der Krieg verloren gegeben werden könnte, den man von Anfang an – inklusive des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober – unterstützt hatte. Israel existiert in diesem Frieden – und das ist das Problem – immer noch. „Und solange Palästina lebt“, schreiben die Stendaler*innen, „wird unser Kampf leben“. Angesichts des virulenten Antisemitismus‘ eines viel zu großen Teils der Linken in und außerhalb Sachsen-Anhalts bleibt es den Palästinenser*innen daher zu wünschen, dass sie noch leben, wenn autoritäre Linke mit ihrem „Kampf“ fertig haben.

Vernunft und Liebe, 20.10.2025

Antirassismus & Antinationalismus

Posted on 20.10.2025 - 20.10.2025 by redflag

Antirassismus & Antinationalismus, oder:
Wer ist hier das „Volk“?

Autoritär-linke Gruppen geben sich häufig als Speerspitze des antirassistischen Kampfes aus. Schließlich ist mit der kommunistischen Geschichte auch eine prominente Idee eng verknüpft: Internationalismus. Wenn also die Proletarier*innen deutscher Nation mit den Proletarier*innen anderer Nationen interagieren, eigentlich aber „Volk“ mit „Volk“, dann soll es einem prominenten Ausspruch gemäß „zärtlich“ zugehen: Internationale Solidarität. Dabei stellt schon der Begriff des Internationalismus (inter- heißt „zwischen“) überhaupt keine Absage an die Idee voneinander abgrenzbarer und abzugrenzender Nationen dar. Sie stabilisiert im Gegenteil genau diese Vorstellung von miteinander in Beziehung tretenden Nationen. Menschen interagieren hier nicht als Individuen mit bestimmten Eigenschaften miteinander, sondern als Vertreter*innen „ihrer“ Nation, als Engländer, Libanesin oder Tscherkessin.

Das Einzige, was der „Internationalismus“ dieser Vorstellung hinzufügt, ist, dass es kein Ausrauben und keine Unterdrückung „zwischen Nationen“ geben soll. Sondern irgendwie Kooperation und gegenseitige Wahrung der Rechte. Was daran jedoch besonders sozialistisch sein soll, bleibt schleierhaft – schließlich sind Kooperation und weitgehende gegenseitige Wahrung gleicher Rechte (als freie Warenbesitzer*innen) ja selbst Merkmale vom Kapitalismus. Sie sind nicht einfach dessen Gegenteil. Ebenfalls von Lenin bis heute übernommen haben linksautoritäre Gruppen Vorstellungen rund um „Imperialismus“. Der bezeichnet bei ihnen aber, über 100 Jahre später, keine historische Epoche in der Entwicklung einiger Nationalstaaten mehr – mit Japan übrigens auch eines nicht-westlichen. Vielmehr meint der als Kampfbegriff umgedeutete „Imperialismus“ einen vermeintlich bis heute andauernden Zustand westlicher Aggression. Und zwar einzig zur Durchsetzung der Ausbeutungsinteressen des Kapitals. Kapitalismus wird hier mit „Westen“ und dann mit militärischer Gewalt gleichgesetzt. Bei manchen autoritären Gruppen ist daher kaum noch vom Kampf gegen den Kapitalismus die Rede – so sehr hat die Schablone „Imperialismus“ alles Vernünftige an marxistischer Gesellschaftskritik ersetzt.

Stattdessen solle es gegen „die Bonzen“ gehen, die USA, die „Imperialisten“ oder gleich „den Krieg“, den die Kapitalist*innen angeblich „wollen“ (und „das Volk“ angeblich nicht). All dem gegenüber gestellt werden nichtwestliche Gesellschaften. Statt sie ebenfalls als Zwangskollektive zu kritisieren, die auf patriarchaler, religiöser und auch rassistischer Gewalt sowie Ausbeutung basieren, werden diesen Gesellschaften häufig allerlei positive Eigenschaften zugeschrieben – allen voran Friedfertigkeit und Natürlichkeit im Gegensatz zur Gewalt und „Künstlichkeit“ des Kapitalismus. Hauptsache, der Kontrast ist maximal. Und so werden aus durch Gewalt geformten Gesellschaften auch einfach: „Völker“. Auffällig ist, dass die Gruppen der „Völker“ weitestgehend identisch sind mit den Gruppen derjenigen Menschen, die rassistisch markiert sind. Nur hieven autoritäre Linke diesen Menschen erst einmal nicht all die aus dem Rassismus bekannten negativen Eigenschaften über. Stattdessen projizieren sie Befreiungsphantasien und positive Hoffnungen auf sie – frei nach der Vorstellung von „edlen Wilden“.

Das hat Tradition. Denker*innen der Aufklärung wie Rousseau beschäftigten sich mit den Problemen westlicher Zivilisationen unter kapitalistischer Produktionsweise, die sie als degeneriert oder entfremdet wahrnahmen. Als Gegenbeispiel zu dem sich selbst fremd gewordenen Menschen „entdeckten“ sie die Kolonialisierten. Die sollten sich demnach in einem „Urzustand“ der Natur befinden, frei von all den negativen Abdrücken der Moderne. Sie waren nicht „verdorben“ und darum irgendwie „gut“. Auch bei Marx finden sich Einflüsse solcher Denkweisen – sie schwingen mit, als er erkennt, dass der Kapitalismus „ursprünglich“ auf Ausraubung, Vertreibung und Knechtung ländlicher Bevölkerungen und von Kolonien beruht. Sie führen aber auch allerlei Projektion auf Kolonialisierte in den Sozialismus ein, durch die die Menschen nicht für sich selbst stehen, sondern als Bedeutungsträger*innen ausgenutzt werden. In Deutschland wurde so etwa die Verkitschung nordamerikanischer Gesellschaften als „Indianer“ zum Teil der rassistischen Volksseele. In all den deutschen Kindern erzählten Geschichten geht Begeisterung für Verkleidung und Identifizierung mit den „natürlich Guten“ mit völligem Fehlen eines Sinns für Menschenrechte einher.

So wird aus jeder sinnlos durch Kugeln oder Bomben getötten Person of Color – wenn die Geschosse aus irgendwie westlichen Kanonen abgegeben wurden – ein sinnhafter Akt antiimperialistischen Widerstands. Wenn Mitglieder dieser „Völker“ aber selbst den Abzug drücken – etwa bei Massakern, mit denen sich schiitische und sunnitische Gruppen im Namen Gottes gegenseitig terrorisieren – wird das in linksautoritären Filterblasen ausgeblendet. So führte versehentlicher oder allzu fahrlässiger Beschuss von zivilen Infrastrukturen durch US-Soldaten im syrischen Bürgerkrieg regelmäßig zu Empörung in linksautoritären Kreisen, während das offensichtlich bewusste und gezielte Ausradieren von Krankenhäusern durch russische und syrische Truppen achselzuckend hingenommen wurde und wird. Das selbe wiederholt sich beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Kriegsverbrechen, Massaker, systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung samt Leugnung einer ukrainischen Identität empören hier kaum jemanden, ziehen keine Verurteilungen und Demonstrationen nach sich.

Ähnliches gilt für von Rassismus betroffene Menschen in Deutschland, um deren Mitgliedschaft sich in den meisten linksautoritären Gruppen besonders bemüht wird. Für sich selbst verantwortliche Subjekte sind diese Milliarden von Menschen im Zweifelsfall nie. Sie sind immer nur Opfer des Imperialismus und Beweis für die Legitimität des linksautoritären Kampfes. Damit sind sie wie unmündige Kinder, an deren Seite man sich stellen muss – ungeachtet ihres Verhaltens. In der Konsequenz werden genau die Menschen, die linksautoritäre Gruppen in Deutschland gern ganz nach vorne stellen, um sich als besonders antirassistisch zu inszenieren, überhaupt nicht ernst genommen. Sie sollen moralische Überlegenheit gegenüber Imperialismus, Kolonialismus und gegenüber anderen Linken beweisen. Ihre Anwesenheit ist buntes Accessoire, Symbol für das eigene „Gut-Sein“.

Ihre berechtigte Wut über Rassismus oder postkoloniale Verhältnisse aber wird benutzt – und auf den Kampf gegen „Imperialismus“ oder „das System“ umgelenkt. Menschenfeindliche Einstellungen und Äußerungen, die einzelne Menschen oder Gruppen als Verbündete von Linken sonst disqualifizieren, sind jetzt plötzlich kein Problem. Denn PoC-Personen sollen ja überhaupt nicht als für sich selbst verantwortliche Subjekte anerkannt und ernstgenommen werden. Man braucht sie vor allem als Opfer, mit denen man anderen Rassismus vorwerfen kann. So kommt es, dass autoritäre Linke in Zeiten internationaler Konflikte zuverlässig an der Seite von Diktatoren und Halsabschneiderregimen stehen. Das gilt nicht nur für solche wahrgewordenen Höllen auf Erden wie Nordkorea oder Kambodscha zur Zeit der mörderischen Roten Khmer, wenn die sich „sozialistisch“ nennen. Es erstreckt sich auch auf so dystopische Gesellschaften wie Russland oder die Islamische Republik Iran, die demokratischem und feministischem Aufbegehren mit Massenknast und Massenmord begegnet.

Diese erschreckende Unfähigkeit autoritärer Linker, auf der Weltkarte zwischen Unterdrücker*innen und Unterdrückten zu unterscheiden, liegt auch am verdrucksten Verhältnis zur Nation, das in linksautoritären Kreisen mindestens unterschwellig gepflegt wird. In Rückgriff auf die sowjetische Tradition gilt die Nation nämlich heimlich als Bollwerk gegen den westlichen Imperialismus. Kein Wunder, dass bei einer so verqueren Logik irgendwann auch die deutsche Nation zum beschützenswerten, liebenswürdigen Opfer des Imperialismus wird. Gerade, wer sich aufgrund des Erstarkens der deutschnationalen AfD für linke Politik und Antifaschismus interessiert, sollte spätestens bei den Gemeinsamkeiten mit eben jener AfD stutzig werden. So erlebt der DDR-Nationalheilige Ernst Thälmann gegenwärtig in linksautoritären Gruppen ein unheimliches Comeback. Auch in der schon erwähnten Veröffentlichung der „Internationalen Jugend Halle (Saale)“ vom CSD Merseburg 2025 ist ein kurzer Videoschnipsel enthalten, der einen autoritären Linken mit einem Thälmann-T-Shirt zeigt.

Doch was hat es mit dem Mann auf sich, dessen riesiges DDR-Denkmal noch heute in Berlin steht und zu den beliebtesten Selfie-Spots für linksautoritäre Kartoffeln zählen dürfte? Die „Kommunistische Arbeiterzeitung“ bemüht sich seit über 50 Jahren, durch die Herausgabe ihrer Zeitung „einen praktischen und theoretischen Beitrag für den Wiederaufbau der KPD“ zu leisten. In einem Beitrag zum Thema „Nation“ zitiert die Zeitung ausführlich Ernst Thälmann. Der hatte 1944 in KZ-Haft geschrieben: „Mein Volk, dem ich angehöre und das ich liebe, ist das deutsche Volk, und meine Nation, die ich mit großem Stolz verehre, ist die deutsche Nation, eine ritterliche, stolze und harte Nation. Ich bin Blut vom Blut und Fleisch vom Fleisch der deutschen Arbeiter und bin deshalb als ihr revolutionäres Kind später ihr revolutionärer Führer geworden.“ Eine Äußerung, die nur Sinn ergibt, wenn man findet, Nicht-Deutsche seien irgendwie weniger „ritterlich“, „stolz“ und „hart“. Thälmanns Worte klingen nicht nur zufällig wie NS-Vokabular. Irgendwie ekelhaft? Nun: Die „Kommunistische Arbeiterzeitung“ („KAZ“) verteidigt dieses Thälmann-Zitat. Es gehe hier schließlich nicht um die Nation der Bourgeoisie, sondern um die „proletarisch-deutsche Nation, die alle Klassen und Schichten umfasst, die unter Führung des Proletariats gegen die Bourgeoisie kämpfen“.

Aha! Und überhaupt hat man es mit der Überwindung von Deutschtümelei und nationalen Unterschieden zwischen Menschen bei der KAZ nicht allzu eilig: „Auch unter der Herrschaft des Proletariats werden Nationen und nationale Unterschiede notwendig und unvermeidlich und über einen langen Zeitraum weiterbestehen.“ Zum Glück ist man ja „internationalistisch“ und nicht nationalistisch, weshalb der eigene, „linke“ Patriotismus auch so ganz anders sein soll: „Das ist eine andere Nation, ein anderer Patriotismus als das Hurragebrülle von Adligen, Bürgern und besoffenen Kleinbürgern und rückständigen Arbeitern und ihrem ‚Stolz‘“. Vermutlich, weil die Autor*innen ahnen, wie schwer diese Ehrenrettung des „Führers“ der deutschen Arbeiterklasse zu halten ist, artet ihre Verteidigung zum Maulkorb aus: „[N]ur kruder Antikommunismus kann versuchen, Thälmann in eine Reihe mit der bourgeois-deutschen Nation zu stellen.“ Verwirklicht sieht man den „echten“ deutschen Patriotismus übrigens in der DDR – nur gibt es die ja leider nicht mehr. Das haben in jüngster Zeit auch linksautoritäre Gruppen aus Sachsen-Anhalt schmerzlich festgestellt.

Zum 3. Oktober diesen Jahres mobilisierten „Young Struggle Magdeburg“, „Zora Magdeburg“, das „Redmedia Kollektiv“ und der „Infoladen Stadtfeld“ sowie der „Frauenkampftag Stadtfeld-Ost“ aus Magdeburg sowie der „Rote Aufbau“ aus dem nahen Burg zu einer Demo anlässlich des deutschen Einheitsfeiertages. Das Motto ganz unverblümt: „Von der DDR lernen – für die Zukunft kämpfen“. Im Aufruf heißt es, dass Antifaschismus in der DDR „Staatsauftrag“ gewesen sei, weil er ja in der Verfassung gestanden habe, während in der BRD „AntifaschistInnen kriminalisiert“ würden. Dabei war der staatliche „Antifaschismus“ der DDR nicht nur Rechtfertigung dafür, sich mit deutschen Kräften an der Niederschlagung des angeblich „faschistischen“ Aufstands in Ungarn zu beteiligen. Auch eine Antifa-Bewegung brauchte es in der DDR ja dank staatlichem Antifaschismus logischerweise gar nicht. Und so wurde die sich in den 80er-Jahren trotzdem gründende Antifa-Bewegung der DDR von Staatssicherheit und Co verfolgt und unterdrückt. Antifaschist*innen, die auf den virulenten Rassismus der „antifaschistischen“ DDR-Gesellschaft und auf die wachsende Neonaziszene mit ihren Morden aufmerksam machten, zahlten dafür einen erheblichen persönlichen Preis.

Kriege hätte es laut Aufruf durch Sowjetunion und DDR angeblich auch keine gegeben. So weit, so logisch aus den eigenen Gefühlen abgeleitet. Ganz so, als hätte es etwa den sowjetischen Putsch und jahrelangen sowjetischen Krieg in Afghanistan, die sowjetischen Überfälle auf Polen, Finnland und das Baltikum oder Grenzgefechte mit China nie gegeben. Solche Feinheiten der Geschichte – samt Perspektiven und Erfahrungen von PoC – sind deutschen Autoritär-Linken allerdings auch nicht so wichtig. Schließlich sichern sich die Autor*innen des Aufrufs mit dem Sätzchen „Natürlich war auch die DDR nicht frei von Widersprüchen“ einfach gegen die eigenen Widersprüche ab. Am 3. Oktober selbst verbreiteten „Young Struggle“ aus Dessau, Magdeburg und Leipzig dann einen weiteren Text, in dem sie 35 Jahren „Einheit“ im Titel entgegensetzen: „Spaltung bleibt“. In diesem Text wird die soziale Sicherheit im sozialistischen deutschen Staat gelobt – aber kritisch eingewandt, dass die DDR seit 1956 ihren Anspruch verlor, „eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen“.

Was war 1956? Das bleibt – wie so oft in Linksautoritären Veröffentlichungen – eine bemerkenswerte Lücke im Text. Darum sei hier daran erinnert: Nach Stalins Tod 1953 setzten zarte Versuche der Entstalinisierung der Sowjetunion und dann auch der DDR ein, die vor allem in Deutschland gleich wieder einkassiert wurden. Vom minimal weiter liberalisierten „Bruderstaat“ ist daher als von der „nach 1956 revisionistischen Sowjetunion“ die Rede. Dementsprechend schreibt die deutsche Jugend der türkischen MLKP, also Young Struggle, die DDR sei kein Staat gewesen, in dem „die Arbeiter:innenklasse wirklich an der Macht war“ – ein take, der in der Kommentarspalte wütende Reaktionen nach sich zog. Es sei „schlicht Antikommunistische Propaganda“, die den Eindruck aufkommen lasse, dass die Autor*innen „nicht selbst denken und aus dem Westen von der Mutterorganisation gelenkt werden“. „Red Media Kollektiv“ aus Magdeburg fragt stichelnd: „Wer genau war denn dann in der DDR an der Macht wenn nicht die Arbeiterklasse?“

Ein Account namens „based_ddr“ meint, der Text sei „Sinnfreie Antikommunistische Wessipropaganda“. Jemand anderes fordert, man müsse über den „Revisionismus“ bei „Young Struggle“ reden. Mit „Revisionismus“ markieren sich Linksautoritäre gerne gegenseitig als Verräter*innen. Das Wort bedeutet hier so viel wie, sich eine Überzeugung noch einmal anschauen und sie zu ändern – für alle Autoritären eine Todsünde. Denn Abweichung und Unterschied sind hier nicht Herausforderung und Lernchance, sondern Bedrohung. Die Sache mit der DDR bleibt also heiß umkämpft im autoritär-linken Lager. Wie im Vorjahr auf einer ähnlichen Demo in Magdeburg wurden auch jetzt wieder schwarz-rot-goldene DDR-Fahnen geschwenkt. Begeisterung für Ost-Nostalgie und den DDR-Nationalismus möchte man sich lieber mit AfD und Neonazis teilen. Sogar die SED-Jugendorganisation „Freie Deutsche Jugend“ spukt heute wieder gestärkt durch die ostdeutsche autoritäre Linke und verteidigt die Täter*innen von einst. Und was ist nun mit „Spaltung“ anlässlich des Einheitsfeiertages gemeint? In einer aktuellen Erklärung des „Roten Kollektivs Brandenburg“ wird das noch deutlicher.

Hier wird beklagt, dass eine „wirkliche ‚Einheit‘“ nicht in Sicht sei. Denn man werde „durch Firmen aus dem Westen als billigere Arbeitskräfte ausgepresst“. Es sei nicht im Interesse der „Bonzen und abgehobenen Politiker, das zu ändern“. Das Problem am 3. Oktober ist aus linksautoritärer Sicht also nicht zu viel nationale Einigkeit der Deutschen mit sich selbst. Sondern zu wenig. Auf die Idee, den in Wahrheit riesigen Reichtum der Ostdeutschen etwa mit den Lebensverhältnissen der Menschen in ehemaligen sozialistischen „Bruderstaaten“ zu vergleichen, kommen (nicht nur) Autoritär-Linke nicht. Auch nicht darauf, dass ihre günstigen Ikea-Möbel von billigen und rechtlosen Arbeiter*innen aus Belarus gefertigt werden und die Ossis ihre Eltern von Ukrainerinnen und Polinnen pflegen lassen, so dass kaum jemand da ist, der deren Eltern pflegt. Ungleichheit und „Spaltung“ ist also dann ein Problem, wenn sie „unter Deutschen“ herrscht. So viel zur „Zärtlichkeit unter Völkern“.

Dem Ossi-Populismus, der in Sachsen-Anhalt gerade drauf und dran ist, die AfD an die Hebel der Macht zu spülen, können autoritäre Linke nichts entgegensetzen. Denn durch die Brille ihrer Tradition sehen sie darin nur eine Chance, zum Aufstand gegen „die da oben“ bzw. „die im Westen“ und damit zu wahrem Sozialismus zu finden. In den Worten des Roten Kollektivs Brandenburg: „Politik für das Volk“ und „Volksmacht“. Von den „Völkern“ zum Volk: Wie sie ausgerechnet auf ein Buzzword der faschistischen Rechten kommen, versteht man erst, wenn man tiefer in den Kosmos der autoritären Linken eindringt. Das Versteckspiel hängt auch daran, dass autoritäre Linke im Angesicht der nationalsozialistischen Geschichte eine Idee davon haben, wie heikel es ist, ihre Ideen etwa gegenüber Jugendlichen offen auszusprechen. Die haben ja meist eine sehr handfeste Vorstellung davon, wozu Deutschtümelei führt: nämlich zu rechter Gewalt.

Also verstecken autoritäre Linke allzu offene Bezüge zum „linken“ Nationalismus meist – genau so, wie sie ihre Bezüge zum prominentesten Vertreter der Idee eines linken Nationalismus oder eines „Sozialismus in einem Land“ verstecken. Young Struggle Leipzig etwa veranstaltet seit Jahren den Lesekreis „Fragen der nationalen Befreiung“. In einem Post vom 2. Dezember 2023 wird etwa für die erste Runde angekündigt, man lese „zwei Kapitel aus ‚Marxismus und nationale Frage‘“, nämlich „Die Nation“ und „Die nationale Bewegung“. Der Autor bleibt ungenannt – ganz anders als beim zweiten und dritten Teil des Lesekreises, wo in der Ankündigung Fred Hampton und Malcolm X genannt werden. Das „Problem“: „Marxismus und nationale Frage“ ist eine Schrift von Stalin. Für den 20. Oktober 2025 wird aktuell ein neuer Lesekreis über einen Text „Nationale Frage“ angekündigt – mutmaßlich vom selben Autor.

Ähnliche Quellen finden antifaschistisch motivierte Jugendliche und Erwachsene auf weiteren Internetpräsenzen der autoritären Linken. Der „Roter Stern Shop“ vertreibt einen „Sammelband: Nationale Frage“, das Online-Portal „Klassenbildung“ bietet eine „Leseliste Nationale Frage“ mit Texten von Lenin, Stalin, dem Kommunistischen Aufbau und Young Struggle. Klar, das heißt nicht, dass PoC oder Nicht-Kartoffeln gleich offene Ablehnung und Rausschmiss entgegenschlagen. Aber dass Nationalist*innen den internationalen Schulterschluss suchen, gilt ja auch für die radikale Rechte, etwa für die AfD und ihre Kooperationen im Rahmen von Fraktionen im Europäischen Parlament. Alice Weidel wahr lange in China tätig, spricht fließend Mandarin. Und so bildet die symbolische Integration von Nicht-Deutschen – sowohl im staatsbürgerlichen wie auch im biologischen Sinne – die „bunte“ Legitimierung dafür, am Ende aber doch „deutsch“ und unter Deutschen „einig“ sein zu wollen. Die „Rote Jugend Deutschland“ – hier ist der Name keine Ortsbezeichnung, sondern Programm – jubelte über ihr diesjähriges Sommercamp in einem Post am 11. August, dass die „Rote Jugend“ „aus allen Teilen der Nation zusammen kam“. Zusammen mit Gästen auch von außerhalb der BRD habe man so für „mehr Einheit und mehr Kampfgeist unter den Genoss*innen“ gesorgt.

Wie stand Stalin zur Nationalitätenfrage? Er bejaht vor der russischen Revolution nationale Identitäten und koppelt sie an Territorien. „Selbstbestimmung“ dieser Nationen – also im Sinne von aus nationalen Identitäten hervorgehenden politischen Strukturen wie Staaten – gestand er formal zu. Nur konnte in seiner Vorstellung in einem Staat immer nur eine Nation den Ton angeben. Eine Nationalität bzw. ein Volk ohne Staat, das nur über kulturelle Institutionen innerhalb einer anderen Nation verfügt, war nicht vorgesehen. Die „Selbstbestimmung“ sollte Vertrauen unter verschiedenen Nationen bzw. Völkern schaffen und einen freiwilligen Zusammenschluss im Sozialismus ermöglichen. Dann würden nationale Unterschiede aufhören, zu existieren. Doch wie bei Lenin ist das Studium der frühen Schriften der sozialistischen „Führer“ keine selbstkritische Auseinandersetzung mit Geschichte. Es dient auch nicht dazu, liberalere Früh-Positionen der beiden zu verteidigen. Es ist ein Heranführen an Gewalt, eine Desensibilisierung gegenüber tabuisierten Namen, an denen viel Blut klebt. Und es ist eine Möglichkeit für junge Autoritär-Linke, eine radikal-oppositionelle Identität auszubilden, Anhänger*innen einer verbrämten „Geheimlehre“ und damit irgendwie selbst zu Opfern des „Imperialismus“ und seiner „Lügen“ zu werden.

Als Stalin dann nämlich Herrscher der Sowjetunion war, war die Weltrevolution ausgeblieben. Schuld waren die „Imperialisten“ im Westen, nicht man selbst. Stalin unterwarf die vielen Nationen innerhalb und außerhalb Russlands gewaltsam der Führung in Moskau. Die Sowjetunion wurde „russifiziert“, ganze nationale Minderheiten wie etwa die Deutschen, die Kalmück*innen oder die Krimtatar*innen mörderisch nach Osten deportiert. Die ukrainische Nationalbewegung schwächte die KP-Führung durch kalkulierten Hunger, dem Millionen zum Opfer fielen. Stalin sprach nun vom Aufbau eines „Sozialismus in einem Land“, aus dem der Sozialismus dann international exportiert würde. Die Selbstbefreiung der Unterdrückten war abgeblasen, sollte stattdessen im russischen industriellen Zentrum entschieden werden. Gegenüber muslimischen Völkern im europäischen wie auch im mittelasiatischen Teil des von den Bolschewiki eroberten Reiches sowie gegen den Islam traten die Stalinist*innen schließlich ebenfalls drakonisch und gewaltsam auf: durch strikte Verbote kultureller und religiöser Praktiken, Morde, Deportationen, Zerstörung der Lebens- und Wirtschaftsweisen, Massenhunger. Angefeuert wurde die Gewalt von alten rassistischen Diskursen über die „Zurückgebliebenen“ und zu befreienden „Orientalen“, nur jetzt in „marxistischem“ Gewand.

Auswirkungen des stalinistischen „Internationalismus“ spürten auch die Linken im durch einen rechten Putsch ausgelösten spanischen Bürgerkrieg (1936 – 1939). Die bekamen die zunehmend chauvinistische Haltung der Sowjetunion bald in Form militärischer „Unterstützung“ zu spüren, da sie die irrige Annahme hatten, irgendetwas in Sachen Antifaschismus und Befreiung selbst entscheiden zu dürfen. Die anarchistischen und trotzkistischen Abweichler*innen wurden schließlich geheimdienstlich und militärisch niedergeschlagen – nicht von der spanischen Rechten, sondern von Stalinist*innen. Die Rechten siegten kurz darauf und errichteten eine 36 Jahre anhaltende Diktatur. Diese Erfahrung ist die deutlichste Lehre der westeuropäischen radikalen Linken in Sachen stalinistischer Prioritätensetzung gewesen und bis heute zentral für das Selbstverständnis aller, die sich der „Einheit“ der autoritären Linken nicht fügen wollen oder können.

Ob nun in Form eines nationalen Chauvinismus, russischer Dominanz oder in der Wandlung kolonial-rassistischer Diskurse zur „Befreiung“ der „primitiven“ Völker: Anderssein zieht in der autoritären Linken Gewalt nach sich. Diese Gewalt funktioniert jeweils unterschiedlich, ist unterschiedlich ausgeprägt und erfährt unterschiedliche Rechtfertigungen, tritt mal als Instrumentalisierung und mal als offene Unterdrückung auf. Sie heftet sich einerseits an nationale, andererseits an „rassische“ bzw. körperliche und kulturelle Unterschiede. Eine weitere Strömung des Linksnationalismus zieht seine Rechtfertigung aus dem Maoismus, also der Ideologie und dem Personenkult rund um denFührer des chinesischen Staatssozialismus. Zu Mao flüchtete sich die Szene in den Jahrzehnten nach Stalins Tod. Sie konnte etwa in den 70er-Jahren in der Bundesrepublik zeitweise eine Dominanz innerhalb der an der Straße orientierten Linken errichten. Jüngere Nachwehen dieses Deutsch-Maoismus wie etwa beim Berliner „Jugendwiderstand“ (bis 2019) mit seiner Brutalität erschreckten irgendwann selbst die restliche autoritäre Linke. Seit vielen jungen Erwachsenen die Unterdrückung in der DDR nicht mehr so deutlich vor Augen ist, betonen sie wieder stärker Kontinuitäten zum „deutschen“ Sozialismus.

Wie anders der deutsch-sozialistische Patriotismus gegenüber dem „bourgeoisen“ Nationalismus sein soll, davon können die zu Zeiten der DDR als Vertragsarbeiter*innen ins Land gekommenen Menschen aus Vietnam oder Mosambik ein Lied singen. Streng von der deutsch-deutschen Bevölkerung getrennt, hatten sie im Auftrag der Regierungen tagsüber zu schuften und sich ansonsten aus der Öffentlichkeit und von ihrem sozialistischen „Brudervolk“ fernzuhalten. Vor allem von den weißdeutschen Frauen. Das war auch insofern nicht unklug, als dass ihnen vonseiten der weißen Deutschen oft widerlichster Rassismus entgegenschlug. Dazu brauchte es keine DDR-Neonazis, das besorgten bereits die Otto-Normal-Werktätigen Ostdeutschlands, die in den Zwangs-Massenorganisationen der DDR mit ihrer Thälmann-Glorifizierung darauf getrimmt wurden, bei Schwarz-Rot-Gold stramm zu stehen. Als dann mit dem Ende der DDR über Jahre rechtsfreie Räume offentraten, wurden die von Scharen von Nazi-Skinheadbanden und ihrem mörderischen Werk gefüllt.

Nur hatten diese Schläger*innen ihre Wurzeln bereits innerhalb des DDR-Systems, wo sie vom ach so internationalistischen SED-Regime weitgehend unbehelligt und verhätschelt Angst und Schrecken verbreitet hatten. Sie waren nicht, wie eine populäre Entlastungserzählung bis heute auch in Antifa-Kreisen behauptet, einfach aus dem Westen importiert. In Reaktion auf diese Nazi-Umtriebe innerhalb der DDR gründete sich damals die Antifa-Bewegung in Ostdeutschland – also gerade gegen autoritär-linke Deutschtümelei im Geiste Ernst Thälmanns. Nicht, um im Thälmann-Shirt den „besseren“ deutschen Proleten-Patriotismus gegen Nazis zu verteidigen. Umso zynischer ist es, wenn sich die autoritäre Linke heute (nicht nur) in Ostdeutschland selbst das „Antifa“-Kostüm überstülpt. Es geht ihr also darum, die Antifa-Bewegung auszumerzen, die sie als eine illegitime Abspaltung ihrer selbst betrachtet. Und „Spaltung“ ist in der autoritären Linken genau so wenig vorgesehen wie eigenständiges Denken.

Am Ende ist das Ausmaß, in dem sich autoritäre Linke dem Nationalismus an den Hals werfen, in verschiedenen Gruppen und bei verschiedenen Personen unterschiedlich stark und nicht einheitlich. Es kommt auch darauf an, welchem Führer oder welcher Heilsfigur sich die jeweilige Splittergruppe gerade zuschreibt- Vor allem beim deutschen Nationalismus ergibt sich für sie ein schwer aufzulösendes Spannungsfeld, wenn etwa Begrifflichkeiten wie „Nationaler Widerstand“ über Jahrzehnte eine Sammel- und Selbstbezeichnung für die deutsche Neonaziszene gewesen sind und natürlich mit dieser assoziiert werden. Hemmungslose Verbrüderung von „links“ und rechts unter nationalem Vorzeichen wird daher eher nur gefeiert, wenn die im Ausland stattfindet. Und wenn weitere günstige Umstände zusätzlich dazu beitragen, dass man so nationalistische Ideologie und Gewaltrechtfertigung in die hiesige Linke tragen kann.

Kurz nach dem Überfall von Hamas, der „linken“ PFLP und anderer Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 tauchte in der autoritär-linken Szene des Ruhrgebiets (NRW) etwa ein Banner mit der der Aufschrift „Es lebe der heldenhafte nationale Widerstand des Volkes von Palästina“ auf Palästina-Demos auf, bejubelt etwa in Berichten des autoritär-linken Online-Portals „Dem Volke dienen“. Und spätestens hier lässt sich erahnen, dass sich autoritäre Linke ihren „Dienst am Volk“ so vorstellen, eben jenes „Volk“ zu seinem vorgesehenen Blutzoll zu überreden. Denn die Konsequenzen des „nationalen Widerstands“ aus dem Gazastreifen waren für die Menschen dort so absehbar, wie sie unerträglich sind. Die massenhafte Opferung der Menschen „unten“ ist im Kampf gegen „oben“ in der politischen Tradition des „Marxismus-Leninismus“ von Anfang an eingepreist.

Sie ist geschichtsphilosophisch mit einer platten Auslegung des sogenannten „historischen Materialismus“ begründet, wie Marx ihn entwickelt hat. Damit teilt sich die autoritäre Linke ein wesentliches Merkmal mit „rechtem“ Nationalismus und religiösen Fundamentalist*innen. Das Unerträgliche ist für die autoritäre Linke in Wahrheit nicht nur erträglich, sondern nötig. Araber*innen sollen sterben, um die Welt davon zu überzeugen, Israel das Existenzrecht und die Existenzgrundlage zu entziehen. Wenn Weiße diesem Unerträglichen einen historischen Sinn und eine Notwendigkeit für die Geschichte und „Befreiung“ der Menschheit vom „Imperialismus“ verleihen – dann steht das ironischerweise in schlimmster (neo-)kolonialer, rassistischer Tradition.

Zur Wahrheit gehört in dem Zusammenhang jedoch auch, dass nominell kommunistische Bewegungen in kolonialisierten oder ehemals kolonialisierten Gesellschaften ihrerseits oft Modelle der autoritären Linken und des Stalinismus übernommen bzw. selbst entwickelt haben. Denn was für Deutschland gilt, gilt ja auch hier: Wenn die Unterdrücker*innen vornehmlich im Ausland gesucht werden – ob zurecht oder zu Unrecht – lässt sich Gegengewalt mit Nationalismus, Identität und Führerprinzip organisieren. Die chinesische KP ging langjährige Bündnisse mit den Nationalist*innen unter Chiang Kai-shek ein. Die kurdische PKK unterwarf sich ihrem „Führer“ Öcalan, inklusive politischen Morden an „Verräter*innen“, Rekrutierung von Kindersoldat*innen und demonstrativer Selbstverbrennungen seiner Anhänger*innen. Das strahlt auf das Weltverständnis und die politische Identität von Menschen mit Rassismuserfahrungen in der westlichen Welt aus. Gerade die Geschichte der PKK aber macht Hoffnungen darauf, dass sich Bewegungen aufmachen können, sich aus stalinistischer Gewalt zu befreien.

Ob in der Stalin-Treue, in den 70ern im Deutsch-Maoismus oder heute bei „roten“ Gruppen: Autoritäre Linke schielen auf den Nationalismus – vor allem den der „unterdrückten Völker“. Sie möchten ihn gerne als Leidenschaft für ihre Zwecke einsetzen, statt ihn zu bekämpfen. In Deutschland wurzelt dieser Charakterzug der sozialistischen Linken im sogenannten „Nationalbolschewismus“, der sich in den 20er-Jahren im Umfeld von KPD und Co entwickelte. Der speiste sich aus der Ablehnung der Reparationen, die Deutschland nach dem ersten Weltkrieg zu leisten hatte. Aus der verkürzten Deutung, die deutsche Kriegsführung sei einfach „Imperialismus“ gewesen – also schlicht militärische Verfolgung von Kapitalinteressen – war wie von Zauberhand ein Deutschland als Opfer des ausländischen Imperialismus‘ auferstanden. Und dieses Deutschland sammelte nun seine „sozialistischen“ Fans.

Die Nationalbolschewist*innen machten hierzulande die stalinsche Idee populär, dass nicht mehr die Arbeiter*innenklasse, sondern das „ganze Volk“ revolutionäres Subjekt sein sollte. Dazu sollte es sich vornehmlich gegen „imperialistische“ Unterdrückung aus dem Ausland wehren. In der Konsequenz geistert das „Volk“ noch heute durch die Veröffentlichungen autoritär-linker Gruppen – mal mehr, mal weniger stark in biologischer Bedeutung. Und mal mehr, mal weniger stark in Form einer Anbiederung an Faschist*innen, Nazis, ihre Anhänger*innen im „Volk“ und ihr „Volksempfinden“. Der ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Dieter Dehm forderte schon vor Jahren, die „Heimat“ nicht den Rechten zu überlassen. Die Nationalsozialist*innen hätten den Sozialist*innen die Begriffe „national“ und „sozialistisch“ gestohlen, fand Dehm. Am 20. Juni 2025 trat er dann offen mit Nazis und Verschwörungsideolog*innen auf einer Kundgebung in Magdeburg auf. Mit Dehm verweist auch die BSW-Egomanin Sahra Wagenknecht mit ihren Polemiken gegen Flüchtlinge und LGBTIQ sowie mit ihrem Schielen auf Kooperationen mit der AfD auf eine weitere Lektion in linker Geschichte. Durch die müssen junge Antifas irgendwann leider durch. Gemeint sind Bemühungen um eine sogenannte „Querfront“ zwischen Faschist*innen und „Sozialist*innen“, die es in der Geschichte immer wieder – von beiden Seiten – gegeben hat.

So hieß es bei der inzwischen wieder inexistenten „Proletarischen Jugend Magdeburg“ in offensichtlicher Anspielung an die erfolgreichen Mobilisierungen des jugendlichen Nazi-Internet-Phänomens „Deutsche Jugend Voran“ konsequent: „Deutsche Rote Jugend Voran“. Andernorts wird die Nazi-Parole „Die Straße frei – der deutschen Jugend“ von autoritären Linken adaptiert – indem einfach „deutschen“ in „roten“ abgewandelt wird. Aber auch in Inszenierungen von soldatischer Männlichkeit durch (Kampf-)Sport (ja, auch bei Frauen) und selbst in Designs von Zugehörigkeits-T-Shirts in der gesamten autoritären Linken scheint der Versuch auf, charakterlich eher „rechte“ Jugendliche und Erwachsene zu rekrutieren. Indem ihre autoritären Bedürfnisse befriedigt werden – unter „linkem“ Vorzeichen. PoC- und weiße Linke, die einmal dazu aufgebrochen waren, sich gegen Nationalismus und Rassismus zu engagieren, sollten also einen großen Bogen um die autoritäre Linke machen.

Vernunft und Liebe, 08.10.2025

Demokratie & Gewalt

Posted on 20.10.2025 - 20.10.2025 by redflag

Autoritäre Linke, Demokratie & Gewalt, oder:
Der Umgang mit anderen Meinungen

Autoritäre linke Gruppen beziehen sich primär auf den russischen Revolutionär Lenin, raten ihrem jugendlichen Nachwuchs die Lektüre seiner Schriften an. Ein beliebtes Einsteiger*innenwerk ist die 1918 erschienene Broschüre „Staat und Revolution“. Beim „Antifa“-Fußballturnier des Roten Aufbaus Burg im Juli lag sie etwa auf einem Infotisch aus. In dem Werk beklagt sich Lenin wortgewaltig über den Verrat, den insbesondere sozialdemokratische, aber auch andere Strömungen der Linken an Marx und Engels begangen hätten. Um diesen Verrat nachzuweisen, fährt Lenin in der Schrift Zitate der beiden Denker auf, insbesondere mit Blick auf das Verhältnis zum Staat und dem taktischen Umgang mit ihm in einer revolutionären Situation. Auf diese Weise inszeniert er sich als Wahrer einer vermeintlich reinen Lehre, die allein deshalb, weil sie rein sei, richtig und erfolgversprechend sein soll.

Dafür, dass andere Linke oder Sozialdemokrat*innen andere Auffassungen haben, hat Lenin indes nicht wirklich eine Theorie. Bestenfalls wird ihnen in der vor Polemik triefenden Schrift unterstellt, die reine Lehre „vergessen“ zu haben. Eigentlich aber handelt es sich, folgt man den Ausführungen, um Verschweigen, bewusste Fehlinterpretation, Lügen und Verrat – nicht darum, dass sich diese Strömungen auch aus anderen Quellen und Denker*innen speisen und dabei auf mal mehr, mal weniger kluge Ideen gekommen sind. Opfer dieses Verrats indes sei die Arbeiter*innenklasse. Das Manöver, das Lenin vor über 100 Jahren aufführte, zieht bis heute: Wer sich durch die Broschüre gelesen hat, kann sich in dem Gefühl wähnen, privilegierten Zugriff auf eine von der vermeintlich dummen Mehrheit der Linken verratene Lehre zu haben. Lenin und autoritäre Linke nach ihm bieten so eine Opfererzählung an. Anhänger*innen der autoritären Linken schlagen sich auf die Seite dieser Opfergruppe und steigen in den Kreis einer geistigen „Elite“ auf. Es ist eine ungemeine Aufwertung des Selbstwertgefühls, gerade für Jugendliche, die in Kapitalismus und Patriarchat zumeist nicht viel zu lachen haben. Sie geht einher mit einer Identität, aus der heraus jede Meinungsabweichung, jede soziale Irritation erklärbar wird: Die anderen sind Verräter*innen.

Nun ist es nicht ganz aus der Luft gegriffen, von Verrat zu sprechen, wenn man zum Beispiel die brutale Niederschlagung der Revolution in Deutschland durch die Sozialdemokratie und die Ermordung von Luxemburg und Liebknecht bedenkt. Allein: Luxemburg hatte Lenin und die bolschewistische Revolution in den Jahren zuvor ebenfalls offen und scharf kritisiert. War also auch Luxemburg eine Verräterin? Ihr berühmtes Diktum, Freiheit sei immer die Freiheit des Andersdenkenden, war gerade gegen Lenin und den Umgang der Bolschewiki mit Opposition gerichtet. Dieses heute berühmte Zitat wurde in der Einflusssphäre der Sowjetunion bis zum Ende des Realsozialismus systematisch verschwiegen. Währenddessen wurde der Revolutionärin jährlich bei der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration in Berlin durch die SED-Parteielite „gedacht“ – sie wurde instrumentalisiert. Autoritäre Linke mobilisieren bis heute zu diesem Ritual, das Loyalitätsgefühle zu einer längst verblassten Zeit und ihren Autoritäten herstellen soll. Tradition indes, und zwar blutige, hatte aber eben auch die Jagd auf Verräter*innen in den realsozialistischen Diktaturen. Und hat es bis heute in autoritär-linken Kreisen.

In „Staat und Revolution“ betont Lenin gegenüber sozialdemokratischer Abweichung von der Linie der Bolschewiki, dass sich die Lehren von Marx und Engels ja gerade aus der von den ihnen selbst gemachten Erfahrung mit Revolutionen (Revolution von 1848, Pariser Kommune) gespeist haben. Das Scheitern dieser Revolutionen hatte die Denker zu einer Veränderung in ihrer Lehre inspiriert. Jetzt sollte der bürgerliche Staat samt Befehlsgewalt über seinen Apparat (Armee, Polizei, Bürokratie) in der Revolution nicht mehr erobert, sondern sofort zerschlagen werden, zitiert Lenin. Der Staat war einfach zu gefährlich für die Revolution, hatte zu viel Eigendynamik und Beharrungskraft. Bekanntlich ließ sich die Sozialdemokratie, insbesondere in Deutschland, nicht von Lenins berechtigten Zurufen beeindrucken, setzte fatalerweise auf das Bündnis mit den Kräften des Alten. Und nutzte ihn zur Zerschlagung der kommunistischen Aufständler*innen.

Klar, dass da in der Sowjetunion alles ganz anders lief. Oder? Mitnichten. Auch in der Sowjetunion – und zwar nach Erscheinen von Lenins Broschüre – wurde der staatliche Machtapparat nicht zerschlagen. Die Bolschewiki erhielten und restaurierten ihn und setzten seinen Gewaltapparat zum Zweck der Verteidigung der Revolution gegen die „Weißen“ ein, konterrevolutionäre Truppen. So blieb nicht zuletzt auch das Heer an Bürokrat*innen erhalten, deren Gefolgschaft sich schließlich Stalin sichern konnte. Mit der Bürokratie als Machtbasis setzte sich „der Stählerne“ nach Lenins Tod durch – und an die Spitze der Sowjetunion. Das angekündigte, allmähliche Absterben des Staates war abgeblasen. Aus der Diktatur des Proletariats – die laut Lenin für die Arbeiter*innen Demokratie, für die Bourgeoisie aber Diktatur sein sollte – wurde wenig überraschend eine reine Diktatur mit Führerkult. Ganz ohne Demokratie, ohne das Recht auf Gründung von Parteien, wie es Lenin noch versprochen hatte. Statt den Kapitalismus abzuschaffen, trat der Staat nun über Jahrzehnte als oberster Kapitalist, Ausbeuter und Unterdrücker der Massen auf.

Nimmt man Lenin ernst und folgt Marx und Engels darin, dass aus Revolutionen und ihren Fehlern im Umgang mit dem Staat zu lernen ist, bleibt eigentlich nur, sich von der Glorifizierung der Sowjetunion so fern wie möglich zu halten. Und von denen, die genau das tun. Die „Proletarische Jugend Magdeburg“ aber gab zum Beispiel auf ihrem kürzlich gelöschten Instagram-Account die Losung aus: „Das Verhalten zum Sowjetstaat ist der Prüfstein dafür, ob jemand ein wirklicher Revolutionär ist oder nicht“. Hier wird sich offen zu Stalin und zur stalinistischen Gewalt bekannt. Ein Post zeigte eine Reihe der Köpfe von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao, dazu die Parole „Hammer und Sichel über Deutschland“. Wer in linken Kreisen die Verwendung von Hammer & Sichel als Symbol unfassbarer Massengewalt kritisiert, handelt sich allerdings von autoritären Linken gleich den Vorwurf ein, „Antikommunismus“ zu betreiben.

Es ist ein beliebtes Manöver, das auf der Idee beruht, dass es neben Stalinist*innen und Leninist*innen keine Kommunist*innen geben könne – und damit identisch mit der Idee, mit der Stalin Millionen Menschen verfolgen, deportieren und ermorden ließ. Sie waren dann ja „Antikommunist*innen“. Das Portal „Klassenbildung“ bewirbt eine Schrift von Stalin als „wohl grundlegendsten Text des Marxismus-Leninismus zum Thema Nationale Frage“. Young Struggle Leipzig veranstaltete 2023 einen Lesekreis mit Stalin-Werken. Zum keineswegs von Lenin, sondern nach dessen Tod von Stalin als Staatsideologie ausgerufenen „Marxismus-Leninismus“ bekennt sich auch das „Jugend Kollektiv Salzwedel“ in seiner Gründungserklärung vom 20. August. Die „Kommunistische Organisation“ bewirbt einen Artikel vom 22. Februar mit einem Portrait von Lenin und Stalin. Zwei Monate zuvor beklagte sie sich über die Veranstaltungsreihe „Good bye Stalin?!“ der Rosa Luxemburg Stiftung Leipzig.

Die „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“, die MLPD, ging in den 80er-Jahren aus dem autoritär-linken „Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands“ hervor – und bezieht sich offen positiv auf Stalin. In seiner Broschüre „Einführung Leninismus“ aus 2024 bekennt sich der Rote Aufbau, der in Burg eine Gruppe unterhält, unter der Überschrift „Diktatur des Proletariats“ dazu, dass das „Instrument der Klassenherrschaft“ – also der staatliche Gewaltapparat – von ihnen „gebraucht“ werden solle. Das Netzwerk „Young Struggle“, auch mit seinen Filialen in Magdeburg und Dessau, präsentiert sich gern als örtliche Jugendgruppe, stellt aber tatsächlich die europaweit agierende Jugendorganisation der türkischen „Marksist Leninist Komünist Parti“ dar. „Marxismus-Leninismus“ – ein verdecktes, aber eindeutiges Stalin-Bekenntnis.

Dass dieses Gedankengut auf Gewalt hinausläuft, zeigte sich in der Geschichte der Sowjetunion jedoch schon vor Stalins Machtübernahme. Auch von Lenin sind entsprechende Befehle dokumentiert. Am 9. August 1918 telegraphierte er: „In Nischni Nowgorod wird allem Anschein nach ein weißgardistischer Aufstand vorbereitet. Man muß alle Kräfte spannen, eine Trojka von Diktatoren zusammenstellen, den Massenterror sofort einführen, Hunderte von Prostituierten, die Soldaten zum Suff verführen, ehemalige Offiziere u. a. erschießen und abtransportieren“. Am selben Tag heißt es in einem in die Stadt Pensa gerichteten Telegramm: „Mindestens einhundert bekannte Kulaken, Reiche, Blutsauger, sind zu erhängen (öffentlich, damit die Leute es sehen).“ Und: „Der gnadenlose Massenterror gegen Kulaken, Popen und Weißgardisten ist durchzuführen; zwielichtige Elemente sind in ein Konzentrationslager außerhalb der Stadt einzusperren.“ Am 22. August ordnete er an, „die Verschwörer und Schwankenden zu erschießen, ohne um Erlaubnis zu bitten“.

Schon unter Lenin wurden die zaristischen Gefängnis- und Terrorsysteme in „sozialistische“ umgewandelt, woraus schließlich die berüchtigten GULAGs entstanden. Von 1930 bis 1953 – Stalins Tod – waren in diesen Lagern mindestens 18 Millionen Menschen inhaftiert. Mehr als 2,7 Millionen Menschen starben in den Lagern. Hinzu kam die Deportation und Zwangsansiedlung von Millionen von Menschen, etwa deutschlandstämmigen Sowjetbürger*innen, nach Sibirien, die systematische Ermordung von „Verräter*innen“ oder der systematisch entfesselte Hunger, der unter anderem zum Zweck der Niederdrückung der ukrainischen Nationalbewegung in der Ukraine eingesetzt wurde. Zurückhaltende Schätzungen von der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften aus 2008 gehen hierbei von 3,5 Millionen Toten aus.

Aber auch autoritäre Linke in der Bundesrepublik haben immer wieder auf das Mittel der Gewalt gegen Linke zur Durchsetzung ihrer Deutungshoheit gesetzt. Im Jahr 2010 machte der „kommunistische“ Rapper MaKss Damage aus Gütersloh (NRW) von sich Reden, weil er Tracks mit extremen Gewaltandrohungen gegen als „Antideutsche“ markierte Abweichler*innen veröffentlichte. Beworben war eine Platte mit „100 % mehr Sexismus pur, 100 % mehr Gewalt und Zerstörungswut, 200 % mehr Antisemitismus“. In Gütersloh wurde kurz darauf ein Tourwagen der als Feind markierten Elektropunkband Egotronic niedergebrannt. Nachdem MaKss Damage eine Weile an von autoritär-linken Gruppen dominierten Orten auftreten konnte, erschien 2011 „plötzlich“ ein Video eines Interviews mit dem Kölner Neonazi Axel Reitz. Darin bekannte MaKss Damage seine folgerichtige Hinwendung zum Neonazi. Es ist ein biographischer Wandel zwischen autoritärer Linker und Neonaziszene, wie er immer wieder beobachtet werden kann. Auch der „Führer“ der deutschen Neonaziszene der 80er-Jahre, Michael Kühnen, war zuvor kurzzeitig Mitglied der autoritären Linken gewesen.

Für den November 2023 hatte die Antifaschis¬tischen Linke Eisenach eine Demonstration in der thüringischen Nazi-Hochburg geplant. Zum Netzwerk von Young Struggle gehörende Gruppen, und zwar auch die aus Dessau, mischten in der Demoplanung mit, verheimlichten dabei aber ihre Zugehörigkeit zu YS. Kurz vor der Demo begann Young Struggle dann unabgesprochen damit, groß nach Eisenach zu mobilisieren – auch dann noch, als die Organisator*innen explizit darum baten, nicht zu kommen. Schließlich hatte Young Struggle Deutschland kurz zuvor das Massaker der Hamas in Israel mit 1.200 Toten als Widerstandsakt gerechtfertigt. Young Struggle bestand darauf, eine Teilnahme im autoritären Block zu erzwingen. Im Netz hagelte es Gewaltdrohungen und Rassismusvorwürfe. Die Eisenacher Antifas sahen sich schließlich dazu gezwungen, ihre Demo abzusagen.

Diesen Schritt musste die Antifa in Salzwedel zum Glück nicht gehen, als Young Struggle aus Dessau und Magdeburg, Zora Magdeburg sowie das erstmalig auftretende „Jugendkollektiv Salzwedel“ unabgesprochen zu einem Block auf ihrer Demo am 5. Juli aufriefen. Einige Wochen zuvor hatten fünf Nazis das Autonome Zentrum in Salzwedel angegriffen. Obwohl die Demo unter dem Motto „Gegen den Rechtsruck: Antifa!“ stand, wurde behauptet, man mobilisiere zu einer Demo „Klassenkampf statt Vaterland“. Die tatsächlichen Ausrichter*innen wurden nicht einmal erwähnt. Die Kleinstadt-Antifa veröffentlichte daraufhin einen auch mit dem JKS und dem autoritär-linken Block geschlossenen Demokonsens gegen eine Vereinnahmung. Also alles entschärft? Gegen den Konsens entfachten wiederum andere autoritär-linke Akteure wie das „Red Media Kollektiv“ (hervorgegangen aus „Zusammen Kämpfen Magdeburg“) und weitere reichweitenstarke autoritäre Linke einen Shitstorm bei der Antifa Salzwedel. Plötzlich erklärte „Zora“ den Konsens öffentlich für „unvereinbar“ und als „Angriff“. Und: „Dennoch werden wir Salzwedel nicht einfach den Faschisten und Zionisten überlassen!“ Es folgte ein Aufruf zu einer Gegenkundgebung. Gemäß der Linie aus dem Statement zum Hamas-Überfall hieß es in den den Text abschließenden Parolen: „Krieg dem Faschismus! Krieg dem Zionismus!“

Ein weiteres prominentes Beispiel für den Umgang mit „Verräter*innen“ ist die von 2015 bis 2019 bestehende, maoistisch inspirierte Berliner Gruppe „Jugendwiderstand“. Über Jahre ging der JW in Berlin gegen andere Linke körperlich gewalttätig vor, sprühte in Neukölln außerdem regelmäßig Todesdrohungen. Auch ihr Zerwürfnis mit der ebenfalls autoritär-linken „Sozialistischen Linken“ aus Hamburg trug die Gruppe durch körperliche Übergriffe aus, ehe sie sich aufgrund der starken Isolierung selbst auflöste. 2004 griffen 30 Mitglieder der „Revolutionären Kommunisten“ bzw. ihres Umfelds in Berlin eine Gruppe von fünf Antifas an, weil sie die als „Zionisten“ ausmachten. Eines der Opfer trat man am Boden zusammen, inklusive vieler Tritte gegen den Kopf. Dem nächsten rammte man nach Schlägen und Tritten noch ein Messer in den Oberschenkel – verfehlte zum Glück die Arterie. Solche Angriffe können nämlich auch schnell mit Verbluten enden.

In Halle kommt es seit geraumer Zeit zu Konflikten rund um Gruppen patriarchaler, gewalttätiger Jugendlicher, die sich am Bebelplatz aufhalten und schonmal eine feministische Demo angreifen. Als einige Linke eine randalierende Gruppe am 14. Juli wegen ihres Verhaltens konfrontierte, beantwortete die das mit Gewalt. Die Internationale Jugend Halle (Saale) aber berichtete: „Zionistischer Angriff auf Antifaschist:innen in Halle!“, und zwar gleich von 20 „Zionisten“. Der Grund: Die fraglichen Jungmänner äußern sich auch immer wieder gegen Israel – anscheinend ausreichend, um aus patriarchalen Gewalttätern angegriffene „Antifaschist:innen“ zu machen. Und so aufs Neue das eigene Vorgehen und die eigene Gewalt durch eine Opferpose und verdrehte Tatsachen zu rechtfertigen.

Vernunft und Liebe, 12. September 2025

Queer

Posted on 20.10.2025 - 20.10.2025 by redflag

Von der Kriminalisierung der Homosexualität
zur Speerspitze der queeren Bewegung?

Eine neuere Entwicklung innerhalb der autoritären Linken ist, dass diese sich als Speerspitze der queeren und CSD-Bewegung inszeniert. Im Jahr 2025 wurde aus diesen Gruppen heraus etwa die Kampagne „CSD verteidigen“ entwickelt, die bundesweit zur Teilnahme an den Demonstrationen der queeren Community mobilisiert. In Sachsen-Anhalt haben autonome Antifa-Gruppen das bereits in den vergangenen Jahren getan – oft in enger Absprache mit den Organisator*innen der CSDs und vorher angekündigt. Der Grund: Die CSD-Bewegung macht immer wieder Erfahrungen damit, wie (autoritäre) Linke nicht nur Auseinandersetzungen  innerhalb der Community sichtbar machen, sondern instrumentalisierend auf Pride-Paraden auftreten oder sich vor Ort Auseinandersetzungen mit der Polizei suchen. Nun muss man nicht alles nachplappern, was die oft bürgerlichen, liberalen CSD-Orga-Gruppen von sich geben, damit das Ganze eine Kooperation ist. Gemeint sind hier die Anbindung an Konzerne und deren Queerwashing-Spendengelder und. Dafür hat die CSD-Bewegung auch innerhalb der queeren Community immer wieder massiv Kritik erhalten. Und das Kuscheln mit den Bullen der weiß-schwul dominierten Bewegung war immer schon bedrohlich für Queers of Color oder transgeschlechtliche Menschen. Und trotzdem: Wer CSDs verteidigen will, muss das auf Augenhöhe, in Absprache mit den Menschen und innerhalb der Grenzen derer tun, die einen CSD organisieren. Nicht wie die linksautoritäre Kampagne „CSD verteidigen“, die etwa im Nachgang des CSD Flensburg breitbeinig verkündete: „CSD verteidigt“ – ganz so, wie sich patriarchale Männer den „Schutz“ von Frauen auf die Fahne schreiben.

Dass die so „Beschützten“ nicht als ebenbürtige Subjekte, sondern vorrangig als politische Beute betrachtet werden, zeigt ein Vorfall vom in diesem Jahr erstmalig organisierten CSD Merseburg (Sachsen-Anhalt) vom 14. Juni. Er soll hier als Beispiel für ein weiteres Phänomen dienen. In diesem Fall hatte die zur Föderation Klassenkämpferischer Organisationen (FKO) gehörende Internationale Jugend Halle (Saale) eigenständig nach Merseburg mobilisiert. Hinter einem Banner „Von Stonewall bis zum Sozialismus“ und mit Fahnen ihrer eigenen Organisation statt mit Regenbogenfahnen nahmen die so Mobilisierten dann am CSD teil. Vor Ort ging es dann aber weniger um queere Rechte und nicht einmal – was ebenso deplatziert wäre – um Sozialismus. Sondern um: Palästina.

Das ließen sich die Merseburger CSD-Organisator*innen nicht gefallen – schließlich hatten sie die autoritäre Gruppe schon im Vorfeld explizit darum gebeten, den CSD nicht zur Thematisierung der Situation in Palästina zu benutzen. Entsprechend konfrontierten sie die „CSD-Verteidiger*innen“ vor Ort. Die Internationale Jugend Halle (Saale) beschwerte sich im Nachgang öffentlich. Man habe unter diesen – in Wahrheit vorher bekannten – Bedingungen schließlich die Teilnahme am CSD abgebrochen, der doch von Nazis bedroht worden sei. Dass aber queere Menschen selbst entscheiden, ob und wie sie sich gegen Nazis von Linken „verteidigen“ lassen wollen, passt schlicht nicht ins leninistisch-stalinistische Konzept. Wer nicht zustimmt, auf diese Weise „beschützt“ zu werden, ist Verräter*in: „Anscheinend ist den Zionist:innen ihre Liebe zu Israel wichtiger als der Support eines CSDs in einer kleinen ostdeutschen Stadt, gegen den faschistisch mobilisiert wurde“, so die Internationale Jugend. Dabei sind es umgekehrt autoritäre Linke, die in CSDs nur eine weitere Gelegenheit erblicken, einen der vielen derzeit tobenden, gewaltsamen internationalen Konflikte zu thematisieren.

Das zeigt deutlich: Hier geht es gar nicht um den Schutz von CSDs. Es geht darum, die Verletzlichkeit der queeren Bewegung gegenüber Nazigewalt auszunutzen, um die eigenen Macht- und Deutungsansprüche auch in der LGBTIQ-Bewegung durchzusetzen. Kein Wunder, dass darauf viele der Organisator*innen keine Lust haben. In Berlin, wo dieses Vorgehen schon seit Jahren zu beobachten war, konnten autoritäre Linke einige „Pride“-Veranstaltungen thematisch umdrehen und zu Demonstrationen gegen Israel machen. Die Young Struggle nahestehende Kampagne „Pride Rebellion“ wirbt zusammen mit „CSD verteidigen“ für einen „Antifa Block“ auf der Internationalist Queer Pride in Berlin und benutzt dazu ein Symbol der Hamas. Young Struggle ist die europaweite Jugendorganisation der türkischen Marksist Leninist Komünist Parti.

Vergleichbar mit der Taktik, die autoritäre Gruppen gegenüber dem Feminismus und der Frauenbewegung fahren, sprechen sie auch junge LGBTIQ auf eine unaufrichtige Art und Weise an. Ihnen wird suggeriert, dass ihre am vermeintlich orthodoxen, vermeintlich „unverfälschten“ Marxismus ausgerichtete Bewegung schon immer auch vorderste Kämpferin queerer Befreiung gewesen sei. Queere Menschen hätten einen besonderen Platz in den Gruppen und seien so sicher vor homo- und transphober Ausgrenzung und Gewalt. In den letzten Jahren entwickelten sie dazu neue Parolen, in denen LGBTIQ aufgerufen werden, in den „Widerstand“ einzutreten. Auf dem Mobilisierungs-Sharepic des Soli-Netzes Halle (Saale) sowie der Internationalen Jugend Halle (Saale) ist ein Transparent zu sehen, auf dem es heißt: „LGBTI in die Offensive“, wobei nicht nur hinter „LGBTI“ ein roter Stern zu sehen ist. Das ganze Transparent zeigt eine große rote Fahne, die hinter einer in der Mitte nach unten gebeugten Regenbogenfahne hervorbricht – ganz so, als habe hinter der queeren Emanzipationsbewegung immer schon der Sozialismus, eigentlich aber die autoritäre Linke gestanden. Offensichtliches Ziel auch hier: Queere Menschen davon überzeugen, dass nur die Teilnahme am „revolutionären Kampf“, wie ihn die leninistisch-stalinistischen Gruppen propagieren, eine queere Befreiung ermöglichen – nach der Errichtung der Diktatur des Proletariats.

Doch geschieht das dann auch wirklich? Als 1917 schließlich die Bolschewiki in Russland an die Macht kamen, strichen sie die ganze Strafgesetzgebung des Zarenregimes. Unter den so entfernten Gesetzen war auch der Paragraph 995, der männliche Homosexualität unter Strafe gestellt hatte. Dadurch wurden Schwule in den folgenden Jahren in Russland oder der Ukraine tatsächlich nicht strafrechtlich verfolgt. In einigen Teilrepubliken galten jedoch weiterhin lokale Gesetze, die Homosexualität kriminalisierten. Im Jahr 1933 machte Stalin die Teillegalisierung schließlich mit einem eigenen Gesetz rückgängig. Auf männliche Homosexualität standen nun fünf Jahre Zwangsarbeitslager.

Und auch die Vermengung mit Pädosexualität fand sich im Gesetz. Wer nämlich Minderjährige „verführte“, musste mit acht Jahren Lager rechnen. Homosexualität war nun das Ergebnis westlicher Dekadenz und der zersetzenden Tätigkeiten imperialistischer Agent*innen, von „Feinden“ des Sozialismus. Der berühmte Schriftsteller Maxim Gorki schrieb 1934 in der Prawda: „Vernichten wir die Homosexualität, und der Faschismus wird verschwinden!“ Und so wurden unzählige vermeintliche und tatsächliche Schwule in den Gulags inhaftiert und gemartert. Das Verbot blieb bis zum Ende der Sowjetunion – und damit ein halbes Menschenleben lang über die angebliche Entstalinisierung hinaus – in Kraft. Zu Stalin aber herrscht in autoritären linken Gruppen nach wie vor ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Loyalitätsverhältnis, das mit dem Loyalitätsverhältnis zur gesamten Sowjetunion verbunden ist.

Wie kann das sein? Wie kann sich eine Bewegung, die so viel queeres Blut an ihren Händen hat, einfach als Avantgarde der LGBTIQ-Bewegung inszenieren? Das Vorgehen hängt eng mit einer in autoritär-linken Kreisen praktizierten und in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter dem Schlagwort „Entrismus“ propagierten Taktik zusammen. Die besagt, dass autoritäre Linke reformistischen Parteien und Bewegungen beitreten sollen, um die eigenen Ziele unter fremden Namen und Labels zu verfolgen. Ursprünglich als Mittel gegen Repressionen sowie Vereins- und Parteiverbote etabliert, hat sich der Entrismus zu einem generellen Habitus gegenüber nicht-autoritären Gruppierungen verallgemeinert. Statt offen adressierbar aufzutreten, bildet die Autoritäre Linke ein von außen oft schwer zu durchschauendes Geflecht aus unzähligen Organisationen, Kampagnen und Labels, aus denen heraus Mitglieder wiederum andere Organisationen unterwandern.

Durch berichtspflichtige und geschulte Personen, die man „Kader“ nennt, versucht die Autoritäre Linke, Unterwanderungen möglichst zentral zu steuern und zu nutzen. Diese sich als Elite in der Elite verstehenden Anführer*innen wandeln so andere Organisationen und Bewegungen zu „Proxys“ um. Damit ist gemeint, dass eine Organisation zwar einen unverfänglichen Namen trägt, dabei aber die Ideologie einer Gruppierung der autoritären Linken verbreitet, wiederholt und normalisiert. Die Wünsche, Anliegen und all die Arbeit der Menschen, die solche von Autoritären unterwanderten Organisationen und Bewegungen aufgebaut haben? Die sind scheißegal. Dann das „höhere“ Ziel des Sozialismus rechtfertigt es, maximal kapitalistisch und patriarchal mit diesen Menschen umzugehen und sie eiskalt zu benutzen. Es sind ja schließlich „Feinde“ des Sozialismus. Dass dieser Umgang mit Anderen – nicht zuletzt mit der Antifa-Bewegung – auf Zwang, Gewalt und die Zerstörung von basisdemokratischer Selbstorganisierung hinausläuft, wird im nächsten Artikel näher beleuchtet.

Vernunft und Liebe, 31. Juli 2025

Feminismus

Posted on 20.10.2025 - 20.10.2025 by redflag

Frauenkampf ohne Feminismus, oder:
Jeden Tag nur kämpfen?

Immer wieder inszenieren sich autoritäre, sich auf Lenin oder Stalin beziehende linke Gruppen als Speerspitze der Bewegung für die Befreiung von Frauen. Besonders mit dem Label „Frauenkampf“ soll Mädchen und Frauen suggeriert werden: Hier wird nicht nur gelabert, hier wird gemacht. Doch dafür, dass das Etikettenschwindel sein könnte, liefert ein Blick in die Geschichtsbücher erste Hinweise. So wurden unter Stalin die Rechte von Frauen nicht ausgeweitet, sondern radikal eingeschränkt. Nach den Aufbrüchen der Anfangszeit der sowjetischen Revolution verordnete Stalin dem Land ein konservatives Frauenbild.

Im Jahre 1936 etwa drehte der 1924 an die Macht gekommene Diktator die Uhren zurück. Die 1917 und 1918 deutlich erleichterte Scheidung von Ehepartner*innen wurde wieder erschwert. Wer sich „leichtfertig“ schied, der bzw. dem wurde „bürgerliche Verantwortungslosigkeit“ vorgeworfen. Die 1920 erstmals in der Sowjetunion erfolgte Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen wurde unter Stalin ebenfalls wieder einkassiert. Frauen sollten nun heldenhafte Mütter sein und durch die Geburt von Kindern die Macht der „Diktatur des Proletariats“ – die tatsächlich eine Diktatur Stalins und seines bürokratischen Apparates war – stützen. Noch beliebter waren Söhne, denn die konnten ja nicht nur kräftige Arbeiter, sondern auch Soldaten werden.

Dann aber kam alles anders: Erst ermordeten Stalin und seine Leute systematisch die Führungs- und Offiziersriege der Roten Armee auf der Jagd nach und zur Abschreckung von angeblichen Verrätern. Dann standen sie beim Überfall durch die Wehrmacht plötzlich ohne verteidigungsfähige Armee da. Notlösungen mussten her. So entschied das Regime, auch Frauen im großen Stil einberufen zu lassen. Die Rotarmistinnen dienten zum Beispiel als Sanitäterinnen, Funkerinnen oder Pilotinnen, wie etwa im berühmten, nur aus Frauen bestehenden 588. Nachtbomberregiment. Die Deutschen prägten für diese Pilotinnen den Spitznamen „Nachthexen“. Frauen als Kämpferinnen, die den „Großen Sieg“ im „Großen Vaterländischen Krieg“ errungen hatten? Das entsprach nicht den erwünschten Geschlechterrollen und dem Ehrverständnis patriarchaler Sozialist*innen. Und so sorgten die Spitzen des Regimes nach dem Krieg dafür, dass die Erinnerung an die kämpfenden Frauen schleunigst getilgt wurde. Zu Jahresfeiern des Sieges ließ man männliche Veteranen aufmarschieren. Rotarmistinnen aber, die unter Einsatz ihres Lebens und, wie die Männer, nicht selten gegen den Preis schwerster Traumatisierung an der Front gestanden hatten, durften nicht an den Paraden teilnehmen. Und sie wurden kaum in der Propaganda abgebildet.

Es ist gar nicht so lange her, da setzten autoritäre linke Gruppen ihre jungen weiblichen Mitglieder unter Druck, auch ja nicht das Label des Feminismus für sich zu entdecken. Frauenkampf ja, Feminismus nein? Die feministische Bewegung speiste sich eben nicht, wie das die sowjetkommunistischen Parteien sicher gern gesehen hätten, einzig aus den schließlich aus Moskau gesteuerten Parteibewegungen. Stattdessen gingen viele Einflüsse des Anarchismus, des Linkskommunismus sowie des Liberalismus in den Kampf um Frauenrechte ein – vom Wahlrecht, über das Recht auf Schwangerschaftsabbruch bis hin zum Kampf gegen häusliche, sexuelle und sexualisierte Gewalt. Diese Frauen kämpften, um das Leben der Frauen im Hier und Jetzt zu verbessern – und nicht für eine Sowjet-Revolution, nach der dann angeblich alles besser werden würde.

Darum wurde und wird der Feminismus in autoritären linken Kreisen – wenigstens im Geheimen, manchmal auch öffentlich – als „kleinbürgerlich“ beschimpft und bekämpft. Insbesondere dann, wenn Mädchen und Frauen keine Lust hatten, immer nur zu „kämpfen“. Wenn die Genossinnen trotz der vorgegebenen Linie die Wahrung ihrer Rechte auch in den eigenen Kreisen verlangten, ging das den autoritären Gruppen gegen den Strich. Tatsächlich herrscht in diesen Kreisen ein Frauenbild und Ideal vor, das Mädchen und Frauen unter Druck setzt, den männlichen Genossen gegenüber „gleichwertige“ Mitstreiterinnen zu sein – natürlich in der hier vorherrschenden, patriarchalen Logik. Frauen sollen durchsetzungs- und meinungsstark sowie im Idealfall physisch wehrhaft sein. Sie sollen, in anderen Worten, die selben Eigenschaften verkörpern, wie sie Männer im kapitalistischen Patriarchat verkörpern (müssen). Statt das jedoch als kapitalistisch-patriarchales Ideal des Kampfes aller gegen aller, der Durchsetzung des eigenen Interesses auf dem Markt, zu kritisieren, geschieht hier das Gegenteil. Kampfeshaltung und Stärke werden als gute, angeblich proletarische, natürliche und angeblich der Wesensart der Bourgeoisie entgegengesetzte Tugenden glorifiziert.

Wer aber Frauen nur als kämpfende Frauen akzeptieren kann, der braucht Feind*innen für diese Frauen. Autoritäre Strömungen entdecken in diesem Kontext zum Beispiel gern den Kampf gegen Femizide für sich. Das ist deshalb so praktisch, weil Femizide stark emotionalisieren und ein Feindbild bedienen, in dem der zu bekämpfende Mann ultimativ böse ist. Und: Er ist praktischerweise außerhalb der eigenen Gruppen verortet, ein äußerer Feind. Auffallend wenig Lust am Kämpfen entwickeln (nicht nur) autoritäre linke Gruppen aber immer dann, wenn es darum ginge, dem Patriarchat innerhalb der eigenen Kreise entgegen zu treten. „Frauenkampf“ ist hier immer nur der Durchlauferhitzer, der Anlass zur Emotionalisierung von Frauen und Mädchen, um sie dann für etwas anderes zu rekrutieren. Der „Kommunistische Aufbau“ rief etwa zum 8. März 2022 unter dem Motto „Ohne Frauen keine Revolution“ zur Demo auf. Den selben Spruch machten sich 2024 autoritäre Gruppen anlässlich des Tags gegen Gewalt gegen Frauen in Leipzig zu eigen.

Das Motto zeigt das instrumentelle Verhältnis gegenüber Frauen: Sie werden gebraucht, weil es ohne sie keine Revolution gegen den kapitalistischen oder imperialistischen Staat gibt. Das eigene Befreiungsinteresse der Frauen im Patriarchat und in ihren Gruppen ist egal, nur Mittel zu einem anderen, „höheren“ Zweck. Es ist die berechnende Benutzung von Frauen und ihren Erfahrungen mit patriarchalen Verletzungen. Das hat Konsequenzen. Seit Dezember 2024 berichten ehemalige Genoss*innen der „Föderation Klassenkämpferischer Organisationen“ (FKO) auf der Instagram-Seite „stoppt_taeter“ von den vielen Fällen sexueller Gewalt, Belästigung und Vergewaltigungen in diesen überregional organisierten Kreisen. Ihren ehemaligen Gruppen werfen sie vor, systematisch Täter und mit ihnen die eigenen Strukturen zu schützen, Druck auf Betroffene auszuüben und ihnen zum Beispiel zu verbieten, sich Therapeut*innen, der Familie oder in der Notaufnahme zu öffnen: „Es wurde ihnen untersagt, Vergewaltigungen zu melden, da dies als ‚Arbeit mit dem Klassenfeind‘ galt.“ (16. Dezember 2024) Als Mittäter*innen dieses Systems benannt werden der Kommunistische Aufbau, die Kommunistischen Frauen und die Kommunistische Jugend, das Frauenkollektiv, die Internationale Jugend, das Solidaritätsnetzwerk, das Studierendenkollektiv und einige mehr.

Am 15. Januar 2025 berichtete eine anonyme Betroffene wiederum auf die Reaktion der autoritären Gruppen auf diese Veröffentlichungen: „Die Entwicklungen der letzten Tage haben mich zutiefst erschüttert. Ich wurde aus dem Frauenkollektiv ausgeschlossen – nicht, weil ich etwas falsches getan hatte, sondern weil ich es gewagt habe, Kritik zu üben und die bestehenden Strukturen zu hinterfragen. Auch eine andere Genossin wurde aus demselben Grund entfernt. Mein Täter konnte währenddessen in der FKO bleiben.“ Am 17. März 2025 heißt es: „Während die Organisation öffentlich von ‚Frauenrevolution‘, ‚Geschlechtsbewusstsein‘ und dem ‚Kampf gegen patriarchale Gewalt‘ spricht, erleben wir am eigenen Leib, wie diese Worte zu leeren Phrasen verkommen, wenn es um den Schutz und die Unterstützung derjenigen geht, die von patriarchaler Gewalt innerhalb der eigenen Strukturen betroffen sind.“ Für den 1. Mai 2025 wurde den Betroffenen laut eigener Darstellung vorab zugesichert, dass sich die FKO nicht an der DGB-Demo in Leipzig beteiligen würde, um ihnen den Raum zu lassen. Am Demotag selber setzte sich dann ein FKO-Block direkt vor die Betroffenen und rollte seine FKO-Fahnen aus.

Dass linksautoritäre Gruppen immer wieder so heftig an ihrem „feministischen“ Anspruch scheitern, liegt in der Sache. Ideologisch sind diese Strukturen und Personen viel zu tief verstrickt in Ideen von permanentem Kampf sowie Intrige und Verrat durch andere, als dass sie vernünftiges Management von Konfliktsituationen betreiben könnten. Und damit auch von Situationen, in denen Vorwürfe sexueller Gewalt erhoben werden,zu denen grenzverletzende Personen fast immer sofort ihre abweichende Wahrnehmung hinaus posaunen. Hinzu kommt, dass für die feministische Auseinandersetzung mit Vergewaltigung und Belästigung so zentrale Werte wie Konsens oder Einvernehmlichkeit nicht kultiviert werden – und zwar schon auf der Ebene der Organisation und des menschlichen Miteinanders nicht. Dass man glaubt, Recht in der Sache zu haben, rechtfertigt hier immer schon, dieses Recht auch kämpferisch gegen andere durchzusetzen, statt Konsense zu finden – ideologisch vorgegeben bei Lenin & Co. Für ein tieferes Verständnis dieser Unfähigkeit wird der Artikel zu Demokratie & Gewalt (3) noch Material liefern.

 Vernunft und Liebe, 12. Juli 2025

Red Flags und Alarmzeichen

Posted on 18.10.2025 - 18.10.2025 by redflag

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